Kurzbeschreibung
Melatonin ist ein Neurohormon, welches primär im Gehirn gebildet wird und für den Schlaf-Wach Rhythmus verantwortlich ist. Um die Melatonin Produktion zu gewährleisten, benötigen wir die Aminosäure Trypotphan. Aus dieser wird das Glückshormon Serotonin gebildet, woraus dann Melatonin hergestellt wird. Die Melatonin Produktion steigt, wenn es dunkel wird und sinkt, wenn unser Auge Licht registriert. Sowohl das warmweiße Licht von Glühbirnen als auch das blaue Licht von Laptops, Smartphones, Tablets oder E-Readern reduzieren die Melatonin Produktion. Stress, schlechte Ernährung, wenig körperliche Aktivität, Medikamente oder das Altern können die Melatonin Produktion negativ beeinflussen. Eine verringerte Produktion führt zu Schlafstörungen oder unterstützt die Entwicklung von Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose, Migräne, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Depressionen. Ein gesunder Lebensstil oder eine Supplementierung können dem entgegenwirken.
Physiologische Wirkungen im Überblick
- Antioxidativ
- entzündungshemmend
- Modulation des zirkadianen Rhythmus
- Schlaf fördernd
- Antikanzerogen
- Kardioprotektiv
- Vasodilatorisch - Blutgefäß erweiternd
Mangelerscheinungen
- Zirkadiane Rhythmusstörungen
- Schlafstörungen
- Tagesmüdigkeit
- Konzentrationsschwäche
- Depressive Verstimmungen
- Reizbarkeit
Vorkommen
Das Schlafhormon wird beim Menschen hauptsächlich in der Zirbeldrüse (Gehirn) gebildet. Es befindet sich aber auch in der Darmschleimhaut, der Speiseröhre, der Haut, der Leber, den Nieren, der Schilddrüse, der Bauchspeicheldrüse, der Thymusdrüse, der Milz und in den Fortpflanzungsorganen. Außerdem ist es in fast allen Körperflüssigkeiten wie Urin oder Muttermilch enthalten. Melatonin wird auch in Pflanzen und Tieren gebildet. Pflanzen bilden Melatonin vor allem in ihren Fortpflanzungsorganen. Früchte, Nüsse, Samen, Getreide, Wein und Bier sind daher reich an Melatonin. Tierische Produkte enthalten in der Regel weniger Melatonin, dafür aber mehr von der Aminosäure Tryptophan. Eier, Fisch, Fleisch, Milch und Milchprodukte sind eine gute Quelle für Tryptophan und enthalten etwas Melatonin.
Anwendungsempfehlungen und Dosierung
Neben der Eigensynthese kann Melatonin über die Nahrung oder als Therapeutikum zugeführt werden. Bei einer exogenen Melatonin Zufuhr wird zwischen einer physiologischen und einer pharmakologischen Dosis unterschieden. Eine physiologische Dosis beträgt 0,3-0,5 mg pro Tag, während eine pharmakologische Dosis darüber hinausgeht. Bei einer pharmakologischen Dosis (> 0,5 mg) können Nebenwirkungen auftreten. Außerdem sollte Melatonin bei Dunkelheit und 30-60 Minuten vor dem Schlafengehen eingenommen werden, um weitere ungewollte Effekte zu vermeiden. Es wird daher empfohlen, eine Melatonin-Supplementierung mit Ihrem Arzt zu besprechen.
Gegenanzeigen
Die orale Einnahme von Melatonin gilt als weitgehend sicher. Dennoch kann das Hormon Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Schläfrigkeit und Sedierung (Dämmerzustand) hervorrufen oder allergische Reaktionen auslösen. Melatonin kann auch mit bestimmten Medikamenten interagieren. Vorsicht ist insbesondere bei Medikamenten mit blutverdünnender, blutzuckersenkender, blutdrucksenkender, krampflösender, beruhigender, antidepressiver oder immunsuppressiver Wirkung geboten. Darüber hinaus wird eine Melatonin Supplementierung für Schwangere, Stillende und Kinder, aufgrund fehlender Studien, nicht empfohlen. Auch bei älteren Menschen mit Demenz bestehen Sicherheitsbedenken. Melatonin kann bei älteren Menschen länger aktiv bleiben und Tagesmüdigkeit verursachen. Außerdem kann die Einnahme von Melatonin die Wirkung bestimmter Nährstoffe positiv oder negativ beeinflussen. Eine kombinierte Aufnahme mit Vitamin C kann die antioxidative Wirkung des Vitamins hemmen. Die Einnahme mit Vitamin B12 kann die schlaffördernde Wirkung von Melatonin behindern, da das Vitamin eine gegenteilige Wirkung hat [1] [2].
Therapeutische & präventive Einsatzgebiete
Schlafstörungen
Wie oben beschrieben, ist Melatonin für den Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich und wird daher als Schlafhormon bezeichnet. Bei Schlafstörungen ist sowohl der zirkadiane Rhythmus (innere Uhr) als auch die Melatonin Produktion gestört. Eine Supplementation mit Melatonin wirkt dem entgegen. Daher ist es ein beliebtes Mittel gegen Jet-Lag, zirkadiane Rhythmusstörungen oder Schlafstörungen.
In einer Metaanalyse untersuchten Wissenschaftler die Wirksamkeit von Melatonin bei der Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen anhand von 12 randomisierten, placebokontrollierten Studien. Die Wissenschaftler analysierten dabei die Wirkung einer Melatonin-Supplementierung auf primäre Insomnie, REM-Schlaf-Verhaltenstörung (RBD), das Syndrom der verzögerten Schlafphase oder 24-Stunden-Schlaf-Wach-Störungen. Letztere ist durch ein schwieriges und oft spätes Einschlafen gekennzeichnet. Im Gegensatz zur Insomnie schlafen die Betroffene bei einer 24-Stunden-Schlaf-Wach-Störungen durch, während bei der Insomnie die Betroffenen häufig aufwachen und nicht mehr einschlafen können. Eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Betroffenen während der Traumphase aktiv bewegen. Die Patienten waren älter als 18 Jahre. Die Melatonin Dosis lag zwischen 0,1 und 10 mg. Die Ergebnisse zeigten, dass vor allem die Einschlaflatenz (Zeit bis zum Einschlafen) bei Patienten mit primären Schlafstörungen durch die Melatonin Supplementierung reduziert wurde [3].
Das Schlafhormon hat sich auch bei der isolierten REM-Schlaf-Verhaltensstörung (iRBD) bewährt. Dabei handelt es sich um eine Schlafstörung, bei der die Betroffenen im Traum sprechen, schreien oder sich bewegen. Dies kann zu Selbst- und Fremdverletzungen führen. In einer Kohortenstudie wurden 209 Patienten mit iRBD über einen längeren Zeitraum (>6 Monate) mit 2 mg Melatonin behandelt. 38 Patienten wurden mit einer Kombination aus verschiedenen Behandlungen therapiert. Die Symptome verbesserten sich nach 4-6 Wochen bei Patienten, die Melatonin täglich 30 Minuten vor der gewöhnlichen Schlafenszeit einnahmen. Wurde das Melatonin zu anderen Zeiten eingenommen, verschlechterten sich die Symptome. Patienten, die zusätzlich Betablocker (Medikament, das Stresshormone wie Adrenalin hemmt) oder Antidepressiva einnahmen, reagierten zunächst langsamer auf die Melatoninbehandlung, erzielten aber nach 3 Wochen ähnliche Ergebnisse [4].
Alzheimer
Leichte kognitive Beeinträchtigungen (MCI) führen bei 12 % der Betroffenen zu Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen. In einer retrospektiven Studie wurden 25 Patienten mit MCI über einen Zeitraum von 9 bis 18 Monaten mit 3-9 mg Melatonin pro Tag behandelt. Die anderen 25 Patienten fungierten als Kontrollgruppe. Nach der Melatonin Supplementierung wiesen die Patienten bessere Ergebnisse im Mini-Mental-Status-Test, im ADAS-Cog-Test und im Mattis-Test auf. Diese Tests werden verwendet, um die kognitiven Störungen festzustellen und auf eine vorliegende Demenzkrankheit zu schließen. Melatonin senkte außerdem die Depressionswerte und verbesserte die Wachsamkeit sowie die Schlafqualität [5].
Migräne und Kopfschmerzen
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die durch pochende oder stechende Kopfschmerzen bis hin zu Übelkeit und Erbrechen gekennzeichnet ist. Eine Supplementation mit Melatonin hat in zahlreichen Studien zu einer Linderung der Krankheitssymptome geführt. In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurden Personen mit Migräne in drei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 erhielt ein Placebo, Gruppe 2 erhielt 25 mg Amitripytylin (Antidepressivum) und Gruppe 3 erhielt 3 mg Melatonin pro Tag. Bei Patienten, die Melatonin supplementierten, verringerte sich die Häufigkeit von Kopfschmerzen um 2,7 Tage. Das Antidepressivum reduzierte die Kopfschmerzhäufigkeit um 2,2 Tage, in der Placebogruppe dagegen nur um 1,1 Tage. Das beste Ergebnis wurde also mit Melatonin erzielt, was für den Einsatz als therapeutische Maßnahme gegen Migräne spricht [6].
Herzkreislauferkrankungen
Studien belegen, dass Melatonin den Blutdruck reguliert, den Blutfluss im Herzen verbessert und die Blutgerinnung in den Gefäßen hemmt. In einer randomisierten, doppelblinden, placebo kontrollierten Studie wurde untersucht, welchen Effekt, die orale Verabreichung von 10 mg Melatonin in 24 Wochen auf das Endothel und somit auf das Herz hat. Das Ergebnis zeigte, dass eine Supplementierung von Melatonin die Verdickung der Arterienwände hemmte. Dies führt zu einem verminderten Risiko eines Herzinfarktes [7].
Autoimmunerkrankungen
Studien bestätigen die gesundheitsfördernde Wirkung einer Melatonin-Supplementierung bei Krankheiten wie Multipler Sklerose (Nervenkrankheit), Rheumatoider Arthritis (chronische Gelenkentzündung) oder Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenerkrankung).
Multiple Sklerose (MS) ist eine Nervenkrankheit, die sich durch chronische Entzündungen, Taubheitsgefühl oder Kribbeln in Beinen und Armen, starke Müdigkeit, Gleichgewichtsstörungen oder Lähmungserscheinungen äußern kann [8]. In einer randomisierten Kontrollstudie wurde die Wirkung einer Melatonin Supplementierung auf Interleukin-1-β (IL-1β) und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) untersucht. Das sind Proteine, die an den Entzündungsreaktionen der Krankheit beteiligt sind. In der Studie wurden 50 MS-Patienten, die mit der üblichen MS-Therapie (Interferon) behandelt wurden, in eine Kontroll- und eine Behandlungsgruppe eingeteilt. Die Behandlungsgruppe erhielt über 24 Wochen 3 mg Melatonin am Tag, während die Kontrollgruppe ein Placebo einnahm. Die Ergebnisse zeigten keine signifikante Veränderung des TNF-α-Spiegels. Allerdings war der IL-1ß-Spiegel in der Behandlungsgruppe nach 24 Wochen signifikant reduziert. Dies deutet darauf hin, dass eine Melatonin-Supplementierung Entzündungen entgegenwirken kann [8]. Entzündungen lösen oxidativen Stress aus, der den Krankheitsverlauf eines MS-Patienten negativ beeinflusst. Studien belegen, dass eine Supplementierung mit Melatonin auch dem entgegenwirkt [9].
Osteoporose und Osteopenie
Osteoporose, auch Knochenschwund genannt, ist eine Krankheit, bei der die Knochen porös werden. Aufgrund der verminderten Knochendichte erleiden die Betroffenen vermehrt Knochenbrüche. Die Osteopenie ist die Vorstufe der Osteoporose. Frauen nach den Wechseljahren und ältere Menschen sind besonders anfällig für Osteoporose, da sich der Knochenabbau in dieser Lebensphase beschleunigt. Der Knochen wird im Laufe des Lebens ständig auf- und abgebaut. Osteoblasten bauen Knochen auf und Osteoklasten bauen Knochen ab. Hormone wie Östrogen oder Nährstoffe wie Kalzium und Vitamin D sind an diesem Prozess beteiligt. Studien zeigen auch die positive Wirkung von Melatonin auf den Knochenumsatz.
In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie wurden 81 postmenopausale Frauen (56-73 Jahre) in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe erhielt über einen Zeitraum von einem Jahr täglich 1 mg Melatonin, die zweite Gruppe 3 mg Melatonin pro Tag. Die dritte Gruppe diente als Placebogruppe. Gemessen wurde die Knochenmineraldichte. Je höher diese ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, einen Knochenbruch zu erleiden und damit an Osteoporose oder Osteopenie zu erkranken. Nach der Behandlung mit 1 mg und 3 mg Melatonin konnte eine erhöhte Knochenmineraldichte im Oberschenkelhals festgestellt werden. Auch die Knochenmineraldichte in der Wirbelsäule und die Tabeckeldicke (gitterartige Strukturen, die den Knochen aufbauen) im Unterschenkelknochen waren nach der Einnahme von 3 mg Melatonin erhöht [10].
Quellenangaben
Studien und Primärquellen:
[1] Minich, D. M., Henning, M., Darley, C., Fahoum, M., Schuler, C. B., & Frame, J. (2022). Is Melatonin the “Next Vitamin D”?: A Review of Emerging Science, Clinical Uses, Safety, and Dietary Supplements. Nutrients, 14(19), Article 19. https://doi.org/10.3390/nu14193934
[2] Andersen, L. P. H., Gögenur, I., Rosenberg, J., & Reiter, R. J. (2016). The Safety of Melatonin in Humans. Clinical Drug Investigation, 36(3), 169–175. https://doi.org/10.1007/s40261-015-0368-5
[3] Auld, F., Maschauer, E. L., Morrison, I., Skene, D. J., & Riha, R. L. (2017). Evidence for the efficacy of melatonin in the treatment of primary adult sleep disorders. Sleep Medicine Reviews, 34, 10–22. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2016.06.005
[4] Kunz, D., Stotz, S., & Bes, F. (2021). Treatment of isolated REM sleep behavior disorder using melatonin as a chronobiotic. Journal of Pineal Research, 71(2), e12759. https://doi.org/10.1111/jpi.12759
[5] Furio, A. M., Brusco, L. I., & Cardinali, D. P. (2007). Possible therapeutic value of melatonin in mild cognitive impairment: A retrospective study. Journal of Pineal Research, 43(4), 404–409. https://doi.org/10.1111/j.1600-079X.2007.00491.x
[6] Gonçalves, A. L., Ferreira, A. M., Ribeiro, R. T., Zukerman, E., Cipolla-Neto, J., & Peres, M. F. P. (2016). Randomised clinical trial comparing melatonin 3 mg, amitriptyline 25 mg and placebo for migraine prevention. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 87(10), 1127–1132. https://doi.org/10.1136/jnnp-2016-313458
[7] Hoseini, S. G., Heshmat-Ghahdarijani, K., Khosrawi, S., Garakyaraghi, M., Shafie, D., Roohafza, H., Mansourian, M., Azizi, E., Gheisari, Y., & Sadeghi, M. (2021). Effect of melatonin supplementation on endothelial function in heart failure with reduced ejection fraction: A randomized, double-blinded clinical trial. Clinical Cardiology, 44(9), 1263–1271. https://doi.org/10.1002/clc.23682
[8] Skarlis, C., & Anagnostouli, M. (2020). The role of melatonin in Multiple Sclerosis. Neurological Sciences, 41(4), 769–781. https://doi.org/10.1007/s10072-019-04137-2
[9] Yosefifard, M., Vaezi, G., Malekirad, A. A., Faraji, F., & Hojati, V. (2019). A Randomized Control Trial Study to Determine the Effect of Melatonin on Serum Levels of IL-1β and TNF-α in Patients with Multiple Sclerosis. Iranian Journal of Allergy, Asthma and Immunology, 649–654. https://doi.org/10.18502/ijaai.v18i6.2177
[10] Amstrup, A. K., Sikjaer, T., Heickendorff, L., Mosekilde, L., & Rejnmark, L. (2015). Melatonin improves bone mineral density at the femoral neck in postmenopausal women with osteopenia: A randomized controlled trial. Journal of Pineal Research, 59(2), 221–229. https://doi.org/10.1111/jpi.12252
Allgemeine Quellen: (nicht mit Nr. im Text versehen; Bsp.: Bücher, andere Portale)
- Skarlis, C., & Anagnostouli, M. (2020). The role of melatonin in Multiple Sclerosis. Neurological Sciences, 41(4), 769–781. https://doi.org/10.1007/s10072-019-04137-2
- Minich, D. M., Henning, M., Darley, C., Fahoum, M., Schuler, C. B., & Frame, J. (2022). Is Melatonin the “Next Vitamin D”?: A Review of Emerging Science, Clinical Uses, Safety, and Dietary Supplements. Nutrients, 14(19), Article 19. https://doi.org/10.3390/nu14193934
- Shechter, A., Kim, E. W., St-Onge, M.-P., & Westwood, A. J. (2018). Blocking nocturnal blue light for insomnia: A randomized controlled trial. Journal of Psychiatric Research, 96, 196–202. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2017.10.015
- Hurtuk, A., Dome, C., Holloman, C. H., Wolfe, K., Welling, D. B., Dodson, E. E., & Jacob, A. (2011). Melatonin: Can it stop the ringing? The Annals of Otology, Rhinology, and Laryngology, 120(7), 433–440. https://doi.org/10.1177/000348941112000703
Bild:
- von elenabsl / stock.adobe
- von elenabsl / stock.adobe