Kurzbeschreibung

Das fettlösliche Antioxidans Vitamin A (Retinol) und seine verschiedenen im Organismus natürlich vorkommenden Derivate (Retinal, Retinsäure, Retinoide) sind an der Regulierung zahlreicher Stoffwechselprozesse beteiligt. Es ist als Teil des Sehpurpurs im Auge sowie an der Bildung der Sehpigmente in der Netzhaut beteiligt und mitverantwortlich für Wachstum und Differenzierung von Zellen und Geweben (z.B. Aufbau der Schleimhäute in Mund, Nase, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Uterus; Haut- und Knochenwachstum/-heilung; Immunzellen). 

Außerdem spielt es eine wichtige Rolle im Protein- und Hormonstoffwechsel (z.B. Schilddrüsenhormone, Steroidhormonproduktion wie Testosteron), beim Eisentransport, bei der Synthese von Myelin (Nervenmembran) im Nervensystem sowie bei der Embryonalentwicklung, um einige wesentliche Aufgaben zu nennen.

Offizieller Name

Retinol

Andere Namen

Derivate: Retinal, Retinsäure, Retinoide

Eigenschaften

fettlöslich

Vorkommen

Retinol (tierisch):
Rinderleber, Lebertran, Eigelb, Butter, Makrele und Heilbutt

Carotinoide (pflanzl. Vorstufe):
rotes Palmöl, Karotten, Paprika, Grünkohl, Spinat, Tomaten, Kirschen, Brokkoli

Grundfunktionen

Regulierung zahlreicher Stoffwechselprozesse
Bildung der Sehpigmente in der Netzhaut
Wachstum und Differenzierung von Zellen
Aufbau der Schleimhäute in Mund, Nase, Lunge etc.
Spielt wichtige Rolle im Protein- und Hormonstoffwechsel
Synthese von Myelin (Nervenmembran)
Fördert gesunde Embryonalentwicklung

Dosierungsempfehlungen

DGE: 0,8 – 1,1 mg ≈ 2700 – 3700 I.E.

NährstoffAllianz: 0,8 – 1,1 mg ≈ 2700 – 3700 I.E.

Sichere obere Einnahmegrenze: 3 mg entspricht ca. 10.000 I.E.

Einnahmeempfehlungen

zu einer fetthaltigen Mahlzeit

Labordiagnostik

Serum: Normalwert: 200-1200 μg/l
≙ 0,7- 4,2 μmol/l

Mangelgrenzwert: < 100-200 μg/l
≙ < 0,35- 0,7 μmol/l

Toxischer Grenzwert: > 1.000-2.000 μg/l
≙ > 3,5- 7 μmol/l

Risiken durch Überdosierung

Kurzfristig: Kopfschmerzen, Übelkeit / Appetitverlust, Kreislaufprobleme Langfristig: Hyperkalzämie, Erhöhter Blutdruck, Nieren versagen, Leber- und Milzprobleme, Haarausfall

Zusätzliche Informationen

1 µg = 3,333 I.E. ≙ 1 mg = 3333 I.E.

Kofaktoren: Vitamin D, Vitamin E, Zink

Physiologische Wirkungen im Überblick

  • Aufbau der Schleimhäute in Mund, Nase, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Uterus 
  • Haut- und Knochenwachstum/-heilung 
  • Entzündungshemmung 
  • Wichtige Rolle im Protein- und Hormonstoffwechsel (z.B. Schilddrüsenhormone, Steroidhormonproduktion wie Testosteron) 
  • Wichtige Rolle beim Eisentransport 
  • Wichtig für die Myelinsynthese im Nervensystem 
  • Wichtige Rolle bei der Embryonalentwicklung 
  • Lichtschutzfaktor und Erhöhung der Sonnenlichtverträglichkeit 
  • Nächtliche Sehfähigkeit: Fördert Umstellung von helles auf dunkles Licht 
  • Übernimmt wichtige Funktionen im Immunsystem 
  • Aufbau und Schutz von "Gap Junctions" (Kommunikationskanäle zw. den Nerven) 

Immunkompetenz:

  • Regulation der angeborenen und erworbenen Immunität
  • Produktion von Immunzellen (z.B. Lymphozyten, Makrophagen, NK-Zellen, T-Helferzellen, B-Zellen)
  • Unterstützt Wachstum und Differenzierung von Immunzellen
  • Immuntoleranz dendritischer Zellen (z.B. Haut, Lymphknoten, GIT)
  • Migration von T-Zellen in darmassoziiertes Gewebe

Kofaktoren

Die physiologischen Effekte von Vitamin A und Vitamin D überschneiden sich, da sich der Wirkmechanismus von Vitamin D mit dem von Vitamin A ähnelt. Die aktive Form von Vitamin D (1α, 25-dihydroxyvitamin-D3, Calcitriol) wirkt also synergistisch mit Retinsäure, d.h. beide Vitamine können sich gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen und verstärken. Eine besonders effektive Kontrolle von Entzündungsprozessen und Immuntoleranz kann somit wahrscheinlich durch ausgewogene Spiegel beider Vitamine erreicht werden.

Vitamin E schützt Vitamin A vor einem oxidativen Abbau, greift regulierend in den Vitamin-A-Stoffwechsel ein und verbessert so die Aufnahme in der Leber, dem wesentlichen Speicherorgan für Vitamin A. Außerdem sollte auf eine ausreichende Zink-Versorgung geachtet werden, da dieser Mineralstoff eine wichtige Rolle im Vitamin-A-Stoffwechsel spielt. 


Vorkommen

Tierisch

Vitamin A ist in fettreichen tierischen Produkten enthalten, vor allem in:

  • (Rinder-)Leber
  • Lebertran
  • Eigelb
  • Butter
  • Makrele
  • Heilbutt

Besonders Vegetarier haben deshalb ein erhöhtes Risiko für einen ausgeprägten Vitamin-A-Mangel.

Pflanzlich

Der pflanzliche Farbstoff Carotinoid wirkt als Vorstufe von Vitamin A (auch Provitamin A) und kann teilweise in solches umgewandelt werden. Sie kommen in relativ hohen Mengen in folgenden Pflanzen vor: 

  • Karotten 
  • Paprika rot 
  • Grünkohl 
  • Spinat 
  • Brokkoli 
  • Süßkartoffel 
  • Kürbis 
  • Rotes Palmöl 
  • Rote Rübenblätter 
  • Petersilie 
  • Dill 
  • Löwenzahnblätter 
  • Wiesen-Sauerampfer 
  • Marillen 
  • Melonen 
  • Kirschen 
  • Sanddorn 

Zu den farbgebenden Cartotinoiden zählen Alpha- und Beta-Carotin, Lutein, Lycopin, Zeaxanthin und rund 600 weitere. Daher wird zur Verhinderung von Vitamin-A-Mangel empfohlen, reichlich farbige Lebensmittel zu essen. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass diese Umwandlung nicht bei jedem Menschen ergiebig genug abläuft und daher pflanzliche Carotinoide nicht bei jedem ausreichend in Vitamin A umgewandelt werden können. Allerdings liefern diese Untersuchungen unterschiedliche Ergebnisse, abhängig davon, ob natürliche oder synthetische Carotinoide verwendet werden. 

Das Beta-Carotin, wird normalerweise durch das BCMO-Enzym (β-Carotin-15,15′-Monooxygenase) in Retinol umgewandelt. Ein Polymorphismus (Sequenzvariation in den Genen einer Population) des Enzyms BCMO bei Kaukasiern beeinträchtigt die Umwandlungsrate des Beta-Carotins aber schätzungsweise um 50 %.

Carotinoide unterstützen allerdings nicht erst nach ihrer Umwandlung zu Vitamin A die Gesundheit, sondern fungieren als starke Antioxidantien und können die ständig anfallenden freien Radikale abfangen und neutralisieren. Zur Aufnahme von Carotinoiden aus Gemüse wie Karotten, Paprika, Grünkohl sind Fette wie Leinsamen- oder Kokosöl, Butter oder Butterschmalz erforderlich. Wir können das fettlösliche Vitamin A nämlich nur dann aufnehmen, wenn es sich mit Fett verbindet. Für die Verstoffwechslung im Körper ist zusätzlich auf eine ausreichende Zink- und Vitamin E-Versorgung zu achten. 

Rotes Palmöl - der Vitamin-A-Lieferant 

Ein reichhaltiger natürlicher Carotinoid-Cocktail, wie im roten Palmöl ist eingebettet in sein natürliches Transportmedium Fett und wird daher leichter und in höherem Maß in Vitamin A umgewandelt als synthetisches Beta-Carotin. Darüber hinaus enthält rotes Palmöl viel Vitamin E und deutlich mehr Carotinoide als manches Gemüse, z.B. etwa das 20-fache von Karotten und macht es zu einem sehr wertvollen Öl.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Konsum von rotem Palmöl eine 100 %-ige Garantie für die ausreichende Versorgung mit Vitamin A darstellt. Wer zu den sog. „Low-Respondern“ - also Menschen, die nur geringe Mengen Vitamin A aus Carotinoiden herstellen können - gehört, sollte Vitamin A als „Fertigprodukt“ aus fettreichen tierischen Nahrungsmitteln wie Leber oder Eier beziehen oder in Form eines Nahrungsergänzungsmittels zuführen.


Mangelerscheinungen und Ursachen

Ein Vitamin-A-Mangel der über lange Zeit besteht kann zu schweren Schäden der Sehkraft bis zur Erblindung und weiteren Erscheinungen wie Akne, Schlafstörung, Immunschwäche, Erschöpfungssyndrom, Anämie, Anosmie (Riechverlust) und Nachtblindheit führen. Auch zu Infektionen, Krebs, Herzerkrankungen und Schlaganfällen könnte ein Vitamin-A-Mangel einen Beitrag leisten. Ursachen für einen Mangel können ein erhöhter Bedarf bei Wachstum, Stress oder Infekten sein, sowie bei einer Malabsorption/ -digestion durch Morbus Crohn, chronischer Diarrhoe oder parasitären Darmerkrankungen.


Anwendungsempfehlungen und Dosierung

Da es noch keine zuverlässige Messmethode gibt, um den Vitamin A-Spiegel zu bestimmen, wird eine Zuführung in relativ niedriger Dosierung empfohlen.

Empfohlene Retinol-Zufuhr: 0,8 – 1,1 mg ≈ 2700 – 3700 I.E.

Grenzwert für sichere Retinol-Tageszufuhr: 3 mg ≈ 10.000 I.E.

Retinol-Umrechnung:

1 µg = 3,333 I.E.

1 mg = 3333 I.E.

Bei ergänzender Einnahme sollte Vitamin A zu oder nach den Mahlzeiten zusammen mit Vitamin E, Zink und Fetten/ Ölen eingenommen werden. 

Achtung: Eine Vitamin-A-Hochdosistherapie (ab 10.000 I.E./Tag) gehört in die Hand des Arztes und ist kein Fall für die Selbstmedikation! Eine zu hohe Dosierung von Vitamin A könnte zu Nebenwirkungen führe (siehe Tabelle oben).


Bioverfügbarkeit

Generell kommt es bei der Behebung des Vitamin-A-Mangels durch eine Zufuhr, wie oben bereits erwähnt auf seine Form und Zubereitung an, ob tierisch, pflanzlich oder synthethisch. Diese und weitere individuelle gesundheitliche Faktoren wirken sich auf die Aufnahme- und Umwandlungsfähigkeit sowie auf die Bioverfügbarkeit aus, sprich wieviel vom Körper tatsächlich verwendet werden kann ohne zu rasch wieder ausgeschieden zu werden. 

Quellen der Stoffe mit Vitamin-A-Aktivität sind in der Ernährung vorgebildet als Retinylester oder Retionoide und Provitamin-A-Carotinoide zu finden. In lebenden Organismen liegt Vitamin A als Fettalkohol Retinol oder als Fettester Retinylester vor. Ist ausreichend biosynthetisiertes Vitamin A im Körper vorhanden befindet es sich in der Leber und kann bei Bedarf ins Blut abgegeben werden und am benötigten Ort seine Wirksamkeit entfalten.

In Nahrungsergänzungsmitteln werden vorwiegend Retinol, Retinylpalmitat und Retinylacetat verwendet, wobei letzteres nicht natürlich in der Nahrung vorkommt und synthetisch hergestellt werden muss. 

Alle 3 Formen sind gut in Fetten und Ölen löslich, wobei Retinol eine Bioverfügbarkeit von 79-90% aufweist. 


Therapeutische & präventive Einsatzgebiete

Überblick

  • Wachstumsstörung
  • Sehstörung (von Nachblindheit bis Blindheit)
  • Störungen der Sinnesempfindungen
  • Erhöhte Infektanfälligkeit durch ein geschwächtes Immunsystem
  • Haut- und Schleimhautprobleme (Trockenheit, akneiforme Hautveränderungen)
  • Erhöhtes Risiko bestimmter Tumore (insbesondere Mamma-, Uterus-, Kolon-, Lungen- und Prostatakarzinom)
  • Erhöhtes Risiko für Katarakt
  • Erhöhtes Risiko für neurologische Schäden bei Schlaganfall
  • Erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten

Vitamin A und D und die Regulation des Mikrobioms/der Mikrobiota

Ganz neue Aspekte ergeben Untersuchungen aus dem Jahr 2019, in denen der Einfluss von Vitamin A in Kombination mit Vitamin D auf das Mikrobiom, insbesondere auf die Barrierefunktion des Darms diskutiert wird. Die aktuelle Forschungsarbeit [1] belegt, dass die beiden Mikronährstoffe Vitamin A & D die Expression der sogenannten “Tight Junction-Proteine” der Darmepithelzellen regulieren. Als “Tight Junction-Proteine” werden schmale Bänder aus Membranproteinen bezeichnet, die den Zellverband des Epithelgewebes in der Darmwand abdichten und somit die Darmdurchlässigkeit, auch “Leaky Gut-Syndrom” genannt, verhindern. Ferner tragen diese Proteine wesentlich zur Stabilität des Epithelverbandes bei, indem sie die Zytoskelette der teilnehmenden Zellen miteinander verbinden und so auch eine Kommunikation der Zellen erlauben. Offenbar begünstigt ein kombinierter Vitamin D- und Vitamin A-Mangel eine durchlässige Darmwand mit all ihren negativen Folgen.

Ein Mangel an Vitamin D und Vitamin A führt außerdem zu Dysbalancen in der Darmflora sowie erhöhter Anfälligkeit für Infektionen oder Schädigungen des Magen-Darm-Traktes.

Vitamin A bei Multipler Sklerose (MS)

Auch wenn es bislang aufgrund fehlender Daten keine konkreten Einnahmeempfehlungen zu Vitamin A bei MS gibt, so weisen verschiedene kleinere Studien auf äußerst positive Effekte hin, welche die essentielle Bedeutung von Vitamin A für das Immunsystem und seine schützende Wirkung im ZNS aufzeigen [2].

Vitamin A unterstützt also die Funktion der Immunzellen, indem es Entzündungsprozesse vermindert und hilft dem Körper, die Immunfunktion wieder neu auf ein normales, gesundes Maß einzustellen, d.h. es beeinflusst die Kontrolle der Immuntoleranz gegenüber autoimmunen Prozessen. Gleichzeitig trägt es zur Regeneration geschädigter Nervenzellen bei.

Dies dürfte ein interessanter Ansatz bei der Suche nach endogenen Substanzen sein, die bereits geschädigte, demyelinisierte Nerven reparieren können, indem sie schutzlose Axone (Nervenzellfortsatz) wieder mit Myelin ummanteln.

Vitamin A bei Akne

Zur Entstehung von Akne spielt das Propionibacterium acnes eine wesentliche Rolle in der Phatogense dieser Hautkrankheit, wobei genauere Mechanismen noch nicht bekannt sind. Die hochdosierte Gabe eines Vitamin-A-Metaboliten trägt zu einer Verringerung des Propionibakteriums im Talgdrüsenfollikel bei und die Talgdrüsen werden verkleinert und deren Talgproduktion reduziert. Zusätzlich hat Vitamin A wichtige Funktionen für die Haut, da es für die Proliferation und Differenzierung von Zellen und Geweben essenziell ist. In einer Studie mit der Hypothese, ob Vitamin A und E Plasmaspiegel die Aknekonditionen beeinflussen konnte festgestellt werden, dass je niedriger die Konzentrationen dieser Vitamine im Blut vorhanden sind umso erhöhter war der Schweregrad der Akne im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ebenso hatten die Teilnehmer mit einer Akneerkrankung niedrigere Vitamin A- und E-Werte als die Kontrolle. Insgesamt nahmen an dieser Studie 100 Teilnehmer mit Akne und 100 Teilnehmer ohne Akne teil und es könnte aus dieser Studie geschlussfolgert werden, dass Vitamin A und E einen wesentlichen Beitrag zur schnelleren Heilung der Akne beitragen könnte [3].


Gegenanzeigen

  • In der Schwangerschaft sollten max. 10.000 I.E. Vitamin A täglich verordnet werden
  • Bei rheumatischen Beschwerden wie Arthrosen 
  • Bei eingeschränkter Nierenfunktion  

Irreführende und falsche Aussagen

Hintergrundinformationen zur ATBC- und CARET-Studie: Redoxpartner haben gefehlt

Nach einem anfänglichen Hype in den 1990er Jahren erfuhr der Ruf des Vitamin E einen dramatischen Einbruch. 1994 kam nämlich die ATBC-Studie [4], Alpha-Tocopherol, Beta-Carotene Cancer Prevention) zu dem Ergebnis, dass antioxidative Vitamine die Gesamtmortalität und auch die Lungenkrebsmortalität bei Rauchern erhöhen. Aber, so der Pharmazeut Norbert Fuchs (Institut für Nährstofftherapie Lungau GmbH, Salzburg): „Rauchen führt nicht spezifisch zu einem Mangel an Vitamin E und A, sondern auch zu einem Mangel an Vitamin C und anderen Antoxidantien.“ Ersetzt man nur einen Teil der Vitamine, kann die erwünschte Wirkung nicht eintreten: „Eine oxidoreduktive Koppelung zwischen zwei zentralen Antioxidantien wie Alpha-Tocopherol und Beta-Carotin ist ohne Niacin, Selen, Riboflavin, Vitamin C und Bioflavonoide als physiologische Redoxpartner nicht einmal im Ansatz möglich.“ Bei der Supplementierung von Vitaminen muss immer der physiologische Kontext berücksichtigt werden, betont Fuchs. „Das wurde in der ATBC-Studie versäumt.“

Derselbe Fehler wurde zwei Jahre später in der CARET-Studie [5], Beta-Carotene and Retinol Efficacy Trial) gemacht. Hier wurde Lungenkrebsrisikopatienten Beta-Carotin und Retinol verabreicht. „Auch bei dieser Studie stellt sich mir die Frage: Was haben sich die Autoren von der Supplementierung zweier isolierter Carotinoide eigentlich erwartet?“, sagt Fuchs. „Abgesehen von der physiologischen Kybernetik des oxidoreduktiven Stoffwechsels kannte man zu dieser Zeit schon über 700 verschiedene Carotinoide aus Obst und Gemüse – Carotinoide, die denkbar unterschiedliche physiologische Schutzfunktionen zeigen. Dass Beta-Carotin, in isolierter Form appliziert, prooxidativ wirkt, war ebenfalls bereits aus Untersuchungen von Werner Kollath bekannt.“

Keinesfalls dürfe also aus den Resultaten dieser Studien geschlossen werden, dass Tomaten und Karotten keinen präventiven Effekt auf das Krebsrisiko hätten – so geschehen in den Schlagzeilen so mancher Publikumsmedien.

Dass die erwünschte Schutzwirkung, die antioxidative Aktivität von Betacarotin umschlagen könne in oxidativen Stress, also in genau das Gegenteil, ist demnach abhängig von der Umgebung, genauer gesagt abhängig von "Redoxpotential und biologischer Umgebung", also vom Blut des Rauchers.

Die nachweislich Krebs verhindernde Wirkung von Betacarotin wird im Körper des Rauchers (und nur bei dem) gestört bzw. zerstört. Aus einem erwünschten Antioxidans wird ein nicht erwünschtes freies Radikal, weil im Blut des Rauchers nun einmal zu wenig Antioxidantien, beispielsweise Vitamin C anzutreffen sind. Das Ganze gilt nicht mehr beim Ex-Raucher: Dort verhindert Betacarotin Lungenkrebs. Und es gilt schon gar nicht beim Normalmenschen: Dort verhindert Betacarotin Lungenkrebs.


Sonstiges

Weitere potentielle Indikationen für Vitamin A-Supplementierung/Therapie

  • Eisenanämie: Verwertbarkeit von Eisen wird verbessert durch VD, VA
  • Lungenerkrankungen bei Kindern
  • Infektionen der unteren Atemwege
  • Masern, Windpocken
  • Nachtblindheit
  • Hauterkrankungen
  • Leaky Gut
  • Krebsbehandlung
  • Diabetes mellitus, Übergewicht, NAFLD
  • Metabol. Syndrom
  • Masernschutz
  • Graft-versus-Host-Reaktion bei Patienten nach Stammzellentransplantation
  • Vitamin D-Therapie

Autoimmun-Erkrankungen

  • Typ 1 Diabetes
  • Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa
  • Hashimoto Thyreoiditis

Quellenangaben

Studien und Primärquellen

[1] Cantorna, M. T., Snyder, L., & Arora, J. (2019). Vitamin A and vitamin D regulate the microbial complexity, barrier function, and the mucosal immune responses to ensure intestinal homeostasis. Critical Reviews in Biochemistry and Molecular Biology, 54(2), 184–192. doi: 10.1080/10409238.2019.1611734

[2] Fragoso, Y. D.; Stoney, P. N.; McCaffery, P. J. (2014): The Evidence for a Beneficial Role of Vitamin A in Multiple Sclerosis. In CNS Drugs, 2014. DOI 10.1007/s40263-014-0148-4

[3] El-Akawi, Z. et al. (2006): Does the plasma level of vitamins A and E affect acne condition? Clin Exp Dermatol. 31(3): 430–4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16681594. 

[4] The Effect of Vitamin E and Beta Carotene on the Incidence of Lung Cancer and Other Cancers in Male Smokers. (1994). New England Journal of Medicine, 330(15), 1029-1035. doi:10.1056/nejm199404143301501

[4] Omenn, G. S., Goodman, G. E., Thornquist, M. D., Balmes, J., Cullen, M. R., Glass, A., . . . Hammar, S. (1996). Risk Factors for Lung Cancer and for Intervention Effects in CARET, the Beta-Carotene and Retinol Efficacy Trial. JNCI Journal of the National Cancer Institute, 88(21), 1550-1559. doi:10.1093/jnci/88.21.1550

[5] Omenn, G. S., Goodman, G. E., Thornquist, M. D., Balmes, J., Cullen, M. R., Glass, A., . . . Hammar, S. (1996). Risk Factors for Lung Cancer and for Intervention Effects in CARET, the Beta-Carotene and Retinol Efficacy Trial. JNCI Journal of the National Cancer Institute,88(21), 1550-1559. doi:10.1093/jnci/88.21.1550 

Allgemeine Quellen:  (nicht mit Nr. im Text versehen; Bsp.: Bücher, andere Portale)

  1. Gröber, U. (2010). Mikronährstoffe für die Kitteltasche: Metabolic Tuning - Prävention - Therapie (3. Aufl.). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
  2. Gröber, U. (2015): Vitamin D und die Regulation der Hepcidin-Ferroportin-Achse. In: OM-Zs. F. Orthomol.Med.2015; 4; 28-29. online: http://dy.doi.org/10.1055/s-0035-1547587
  3. Mutschler, E.; Geisslinger, G.; Kroemer, H. K.; Ruth, P.; Schäfer-Korting, M. (2008, 9. Auflage): Mutschler Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie.
  4. Cañete, A., Cano, E., Muñoz-Chápuli, R., & Carmona, R. (2017). Role of Vitamin A/Retinoic Acid in Regulation of Embryonic and Adult Hematopoiesis. Nutrients, 9(2), 159. doi:10.3390/nu9020159
  5. Huang, Z., Liu, Y., Qi, G., Brand, D., & Zheng, S. (2018). Role of Vitamin A in the Immune System. Journal of Clinical Medicine, 7(9), 258. doi:10.3390/jcm7090258
  6. Stephensen, C. B. (2001). Vitamina, Infection,andimmunefunction*. Annual Review of Nutrition, 21(1), 167-192. doi:10.1146/annurev.nutr.21.1.167
  7. Summers, J. A. (2013). The choroid as a sclera growth regulator. Experimental Eye Research, 114, 120-127. doi:10.1016/j.exer.2013.03.008
  8. Adam, A. M., Naglah, A. M., Al-Omar, M. A., & Refat, M. S. (2017). Synthesis of a new insulin-mimetic anti-diabetic drug containing vitamin A and vanadium(IV) salt: Chemico-biological characterizations. International Journal of Immunopathology and Pharmacology, 30(3), 272-281. doi:10.1177/0394632017719601
  9. Harper, A. R., Wiechmann, A. F., Moiseyev, G., Ma, J., & Summers, J. A. (2015). Identification of Active Retinaldehyde Dehydrogenase Isoforms in the Postnatal Human Eye. Plos One, 10(3). doi:10.1371/journal.pone.0122008

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