Kurzbeschreibung
Fluoride kommen in Form von Mineralien in der Natur (Wasser, Boden und vielen Lebensmitteln) und auch im menschlichen Körper (vor allem Knochen- und Zahngewebe) vor. Zusätzlich, werden sie in Zahnpflegeprodukten und manchmal im Trinkwasser (z.B. USA, Brasilien, Australien und Kanada) verwendet, um Zahnkaries vorzubeugen. Auch werden sie eingesetzt, um den Zahnschmelz zu stärken und die Remineralisierung kleinerer Schmelzdefekte zu fördern.
Trotz seiner möglichen Vorteile für die Mundgesundheit ist auf die Gesamtmenge der Fluoridaufnahme zu achten, da eine Überdosierung gesundheitliche Probleme verursachen kann. Fluorid ist zudem kein essentielles Spurenelement, dass wir zwingend von außen aufnehmen müssen. Auch zum Zweck der Zahnpflege, gibt es gute und sichere Alternativen (s. Sonstiges), so dass es auch da nicht zwingend zum Einsatz kommen muss.
Exkurs Fluor:
Fluor ist ein giftiges und stark reaktives Gas (Halogen), das bereits in geringsten Mengen stark toxisch wirkt. In der Natur kommt es sehr selten in der rein elementaren Form vor. Meist liegt es gebunden mit Salzen in Form von Fluoriden vor.
Physiologische Wirkungen im Überblick
- Kariesprävention
- Knochenstärkung
- Remineralisierung von beginnenden Kariesstellen
Risiken durch Überdosierung
Hohe akute Fluoridaufnahmen können zu Vergiftungssymptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit, Kopfschmerzen, Koma, Herzstillstand, Krämpfe und sogar Tod führen.
Längerfristige Überdosierungen können zu folgenden Erscheinungsbildern führen:
Zahnfluorosen
Eine übermäßige Aufnahme von Fluorid während der Zahnentwicklung, insbesondere bei Kindern unter 8 Jahren, kann zu Zahnfluorosen führen. Dieser Zustand ist durch leichte Verfärbungen bis hin zu schweren Schäden am Zahnschmelz gekennzeichnet. Um das Risiko einer Fluorose zu minimieren, sollten Kinder beim Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta beaufsichtigt werden, um sicherzustellen, dass sie keine Zahnpasta verschlucken. Der sicherste Weg ist allerdings der Verzicht auf fluoridhaltige Zahnpasta bei gleichzeitiger Minimierung des Zuckerkonsums. Weiter unten wird die Wirkung fluoridfreier Zahnpasten genauer beschrieben.
Skelettfluorosen
Langfristige Exposition gegenüber hohen Fluoridmengen kann zu Skelettfluorose führen, einer Erkrankung, die die Knochen hart und spröde macht und zu Schmerzen und Schäden an Knochen und Gelenken führen kann. Die Knochendichte, wird dabei so dicht und verhärtet, dass die natürliche Elastizität verloren geht. In Folge ist das Risiko für Knochenbrüche erhöht.
Beeinträchtigte Schilddrüsenfunktion
Einige Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass eine hohe Aufnahme von Fluoriden die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigt und zu Veränderungen in der Produktion von Schilddrüsenhormonen führen kann. Insbesondere wurde in einigen Studien festgestellt, dass eine übermäßige Fluoridaufnahme mit einem erhöhten Risiko für Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse) assoziiert sein könnte. Dies könnte auf die Fähigkeit von Fluorid zurückzuführen sein, mit Jod um die Aufnahme in die Schilddrüse zu konkurrieren. Jod ist ein wesentliches Element für die Produktion von Schilddrüsenhormonen [1]. Jodiertes Salz ist also in Jodmangelgebieten in Ordnung. Auf fluoridiertes Salz sollte unbedingt verzichtet werden.
Neurotoxizität (in der frühkindlichen Entwicklung)
Eine 2008 veröffentlichte Metaanalyse von 16 Fall-Kontroll-Studien chinesischer Kinder mit und ohne Fluoridbehandlung, kam zu dem Ergebnis, dass bei Kindern, welche in einem Gebiet mit Fluorosefällen wohnen, das Risiko einen niedrigen IQ zu entwickeln fünfmal höher ist, verglichen mit den Kindern in Wohngegenden mit geringen oder keinen Fluorosefällen [2].
Eine weitere 2012 veröffentlichte Metaanalyse der Harvard Universität von 27 epidemiologischen Studien, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Kinder in Gebieten mit hoher Fluoridaussetzung (z.B. durch das Trinkwasser) deutlich niedrigere IQ-Werte aufwiesen als die Kinder in Wohngegenden mit niedrigem Fluoridgehalt. Der durchschnittliche Unterschied im IQ-Wert lag bei –0,45 (95 %-Konfidenzintervall: –0,56, –0,35) [3].
Die genannte 2012 veröffentlichte Metaanalyse wurde 2019 aktualisiert. Nun kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass eine erhöhte Wasser-Fluorid-Konzentration bei Kindern mit fast 7 IQ-Punkten niedriger einherging, als ohne diese Trinkwasserfluoridierung [4].
Die größte Querschnittsstudie aus 2018, wies eine signifikante Verringerung von 8,6 IQ-Punkten für jeden Fluoridkonzentrationsanstieg um 1 mg/L im Trinkwasser aus [5]. In den Studien mit geringerer Fluoriddosierung, genügten bereits 0,5 µmol/L (=10 µg/L), um eine Lipidperoxidation (Angriff auf Zellwände durch freie Radikale) und somit biochemische Veränderungen in Gehirnzellen auszulösen [6]. 3 µmol/L (= 57 µg/L) führten zu entzündlichen Reaktionen der Gehirnzellen [7].
Fluorid kann die Plazentaschranke und auch die Blut-Hirn-Schranke passieren und so in das fetale Gehirn gelangen [4]. Die Blut-Hirn-Schranke des erwachsenen Gehirns, schützt dieses bis zu einem gewissen Grad vor toxischen Stoffen. Dieser Schutz ist bei Föten und Kleinkindern, mit einer noch unvollständig ausgebildeten Barriere weniger gegeben [4]. Es scheint, dass sich Fluorid dort in Regionen ansammelt, die für Gedächtnis und Lernen verantwortlich sind.
Eine prospektive, multizentrische Geburtskohortenstudie kanadischer Mutter-Kind-Paare, welche 2019 veröffentlicht wurde, bestärkt die bisherig genannten Untersuchungen. Bei dieser Studie, zeigte eine tägliche um 1 mg/L höhere Fluoridaufnahme über das Trinkwasser in der Schwangerschaft, einen um 3,66 Punkten niedrigeren IQ-Wert der Kinder im Alter von 3 bis 4 Jahren [8].
Kofaktoren
Fluorid wirkt direkt auf die Zähne und Knochen, auch ohne weitere Faktoren. Jedoch gibt es einige Substanzen und Bedingungen, die es unterstützen oder ergänzen können:
- Kalzium & Phosphat: Diese Mineralien sind entscheidend für die Bildung und Erhaltung von starkem Zahnschmelz. Fluorid arbeitet synergistisch mit Kalzium und Phosphat, um die Remineralisierung des Zahnschmelzes zu fördern und den Wiederaufbau von Mineralien zu unterstützen, die durch Säureangriffe verloren gegangen sind.
- Vitamin D: Eine ausreichende Versorgung mit dem Sonnenvitamin ist essentiell für den Kalziumstoffwechsel und damit auch für die Mineralisierung des Zahnschmelzes.
- Speichel: Eine ausreichende Speichelproduktion ist wichtig für die Wirksamkeit von Fluorid. Speichel verdünnt und neutralisiert Säuren im Mund und liefert Kalzium, Phosphat und Fluorid. Ein gesunder Speichelfluss hilft, Fluorid über die Zähne zu verteilen und seine präventive Wirkung zu maximieren.
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Vitaminen und Mineralien ist, unterstützt die allgemeine Mundgesundheit und kann die positive Wirkung von Fluorid ergänzen. Zucker- und säurehaltige Lebensmittel und Getränke sollten vermieden werden, da sie den Zahnschmelz angreifen und Karies fördern können.
Vorkommen
- Schwarz- und Grüntee
- Meeresfrüchte
- Mineralwasser
- Wein
- Traubensaft
- Geflügel
- angereichertes Speisesalz
- angereicherte Zahncremes
- in manchen Ländern angereichertes Trinkwasser (USA, Kanada, Australien, Irland und Brasilien)
Anwendungsempfehlungen und Dosierung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. hat folgende Richtwerte für die Fluoridgesamtzufuhr (Nahrung, Trinkwasser, Supplemente und Fluoride in der Kariesprävention) definiert (Stand 2000):
Der von der European Food Safety Authority (EFSA) festgelegte Tolerable Upper Intake Level (UL) für Fluorid beträgt einen Wert von 0,1 mg/kg Körpergewicht/Tag [EFSA, 2013]. Als optimale Dosis (hoher kariespräventiver Effekt und geringes Fluoroserisiko) sieht sie 0,05 mg/kg Körpergewicht/Tag an. Für 1-3jährige leitet die EFSA einen UL von 1,5 mg/Tag bzw. 2,5 mg/Tag für 4-8jährige ab.
Die Empfehlungen der NährstoffAllianz stehen unter Kapitel 10 „Umsetzungstipps“.
Gegenanzeigen
Zahn- und Skelettfluorosen
Bei bereits bestehenden Zahn- und Skelettfluorosen ist eine weitere Fluoridaufnahme unbedingt zu vermeiden.
Nierenerkrankungen
Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion können Fluorid möglicherweise nicht effizient ausscheiden, was zu einer Anhäufung im Körper führen kann. In solchen Fällen wird eine Anpassung der Fluoridaufnahme notwendig bzw. ist grundsätzlich zu überdenken.
Hypersensitivität
Manche Menschen können eine Überempfindlichkeit gegenüber Fluorid aufweisen, die sich in Form von Hautausschlägen oder anderen allergischen Reaktionen äußert.
Interaktionen mit Medikamenten
Die gleichzeitige Einnahme von Fluorid und Aluminium enthaltenden Antazida (Arzneimittel zur Neutralisierung von Magensäure), können zu einer erhöhten Aufnahme von Aluminium führen, was besonders bei Personen mit Nierenerkrankungen problematisch sein kann.
Therapeutische & präventive Einsatzgebiete
Prävention von Karies
Fluorid ist bekannt für seine Fähigkeit, Zahnkaries (Zahnfäule) zu verhindern. Es hilft, den Zahnschmelz zu stärken und widerstandsfähiger gegen Säureangriffe von Bakterien im Mund zu machen. Dies wird teilweise erreicht, indem Fluorid die Remineralisierung fördert, also den Prozess, bei dem verlorene Mineralien wieder in den Zahnschmelz eingebaut werden, und gleichzeitig die Demineralisierung verlangsamt.
Exkurs Karies:
Karies ist durch den Verlust der Zahnhartsubstanz, aufgrund von Säureeinflüssen gekennzeichnet. Kariesverursachende Bakterien, wie Streptococcus mutans und Laktobazillen, produzieren diese Säuren durch die Verstoffwechselung von einfachen Kohlenhydraten, wie z.B. Zucker, die mit der Ernährung aufgenommen werden. Durch den Anstieg des Säuregehalts im Mundraum, wird Hydroxylapatit im Zahnschmelz an- und aufgelöst, Kalzium und Phosphat werden frei, was zur Demineralisierung der Zähne und in weiterer Fortführung zu Löchern führt [9]. Die Zähne sind umso kariesanfälliger, je höher der Zuckerkonsum ist. Darüber hinaus können bereits saure Nahrungsmittel wie (sogar zuckerfreie) Limonaden und Fruchtsäfte zu säurebedingten Zahnabrieben führen.
Behandlung von Zahnempfindlichkeit
Fluorid kann zur Behandlung von Zahnempfindlichkeit eingesetzt werden, indem es die freiliegenden Dentinkanäle verschließt und so die Empfindlichkeit gegenüber süßen, sauren, heißen oder kalten Speisen und Getränken reduziert.
Wachstum und Entwicklung von Knochen und Zähnen
Fluorid wird von Fachgesellschaften, als wichtig für das Wachstum und die Entwicklung der Knochen und Zähne bei Kindern, erachtet. Eine angemessene Fluoridaufnahme während der Wachstumsphasen soll dazu beitragen, dass Zähne und Knochen richtig geformt werden und gesund bleiben.
Jedoch merkt das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) in seiner Stellungnahme Nr. 015/2018 vom 31. Mai 2018 an, dass es hinsichtlich zu Nutzen und Risiken der Kariesvorbeugung durch Fluoridsupplemente, an belastbaren wissenschaftlichen Studien mangelt.
Sonstiges
Industrielle Säuglings(anfangs)-nahrung auf Basis von Milchprotein enthält Fluoridgehalte zwischen 0,03 und 0,1 mg/100g Pulver bzw. zwischen 0,003 und 0,015 mg/100 ml verzehrfertige Nahrung. Kommt fluoridiertes Trinkwasser dazu, erhöht sich entsprechend der Fluoridgehalt. Ist die Säuglings(anfangs)-nahrung auf Basis von Sojaprotein sind die Mengen an Fluorid sogar noch deutlich höher, 0,23 mg/100 g Pulver bzw. ca. 0,030 mg/100 ml verzehrfertige Nahrung. So kann alleine durch industrielle Säuglings(anfangs)-nahrung bereits der D-A-CH-Referenzwert in den ersten drei Monaten überschritten werden.
Um die Fluoridaufnahme während der Wachstumsphase sicher zu stellen, erhalten Eltern von verschiedenen Seiten Empfehlungen. Es werden dabei Fluoride in Form von Tabletten oder Tropfen, als Zusatz von Zahnpasta und auch als hochkonzentrierte Spülungen, Gele oder Lacke, welche der Zahnarzt auf die Zähne aufträgt, empfohlen. Dabei gilt das Entweder-Oder-Prinzip. Ist dies Eltern nicht bewusst bzw. werden diese nicht aufgeklärt, können alle Empfehlungen zeitgleich angewendet sehr leicht zu einer Überdosierung führen. Im Folgenden ein Worst Case Szenario eines 9 Monate alten Säuglings:
Bei diesem Beispiel wurde davon ausgegangen, dass das Trinkwasser nicht fluoridiert ist. Der D-A-CH-Referenzwert von 0,5 mg/Tag ist stark überschritten, lebt der Säugling nun zudem in einem Gebiet mit fluoridiertem Trinkwasser, erhöht sich der Wert dementsprechend.
Alternativen zu fluoridhaltigen Präparaten:
Chlorhexidin
In einer Untersuchung an Probanden, wurde die Plaqueanlagerung während 24 Stunden nach einer Zahnreinigung beobachtet. Dabei wurden einmal die Zähle mit einer Chlorhexidin-Zahnpasta oder einer Fluoridzahnpasta geputzt. Es zeigte sich, dass sich nach dem Putzen mit dem Chlorhexidinpräparat weniger Plaque in 24 Stunden anlagerte als nach der Reinigung mit der Fluoridzahnpasta [10].
Eine weitere klinische Studie, hat die Auswirkung einer Kräuter-/Bicarbonat-Zahnpasta, Chlorhexidin- und Fluorid-Zahnpasta, auf den Anstieg von Plaque und Zahnfleischentzündung beobachtet. Bei der Chlorhexidinanwendung wurde im Vergleich zu den beiden anderen, eine signifikante Verringerung von Plaque und Zahnfleischentzündungen fest gestellt [11].
Eine längerfristige Anwendung, ist aufgrund der Nebenwirkungen (Braunfärbung der Zunge, Zahnverfärbungen, Geschmacksirritationen) weniger empfehlenswert.
Xylit
Xylit kann die Remineralisierung des Zahnschmelzes fördern, indem es den Speichelfluss anregt. Auch kann es die Plaquebildung reduzieren und dazu beitragen den ph-Wert im Mund zu neutralisieren, was dazu beiträgt, die Entstehung von Karies zu reduzieren [12].
Einige Studien deuten darauf hin, dass Xylit die Remineralisierung des Zahnschmelzes fördern kann, was dazu beiträgt, beginnende Kariesläsionen zu reparieren.
Xylit kann zudem das Wachstum bestimmter kariesverursachender Bakterien im Mund hemmen.
Xylit empfiehlt sich daher als adäquater Ersatz für Fluorid und wird daher oft als Bestandteil in Zahnpasten, oder in Form von xylithaltigen Kaugummis eingesetzt.
Neem
Einige Studien deuten darauf hin, dass Mundspülungen oder Zahnpasten mit Neem-Extrakten effektiv Zahnbelag reduzieren und Symptome von Gingivitis (Zahnfleischentzündung) mindern können. Durch die antibakteriellen Eigenschaften von Neem wird auch das Kariesrisiko bei dessen Anwendung gesenkt.
Eine in-vivo Studie (an Menschen) untersuchte die antimikrobielle Wirkung von Zahnpasten, die Probiotika und Neem enthalten bei 60 18-30-jähringen Probanden. Die eine Hälfte der Probanden erhielt Zahnpasta auf Probiotikbasis, während die andere Hälfte Zahnpasta auf Neembasis erhielt. Zweimal täglich wurde für 60 Tage die Zähne geputzt. Beide Zahnpasten hatten einen vergleichbaren antibakteriellen Effekt auf den Karieserreger S. mutans [13].
Probiotische Mundspülung
Eine doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studie mit Schulkindern im Alter von 5 bis 12 und älteren Menschen über 60, untersuchte die antimikrobielle Wirksamkeit von probiotischen, Xylitol- und Chlorhexidin-Mundspülungen. Die Teilnehmenden wurden in drei Gruppen eingeteilt und spülten 14 Tage lang zweimal täglich zwei Minuten lang mit 15 ml der jeweiligen Mundspülung. Der antimikrobielle Effekt der probiotischen Mundspülung und von Xylitol war sowohl bei den älteren Menschen als auch bei den Kindern mit der von Chlorhexidin vergleichbar. Möglichweise könnten jedoch Probiotika bei Kindern wirksamer sein als Xylitol [14].
Hydroxylapatit
Eine Studie, welche in vitro (außerhalb des Menschen) und in vivo (am Menschen) durchgeführt und 2019 veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass sich biomimetische Hydroxylapatit-Zahnpasten als wertvolle Präventionsmaßnahme vor Karies im Milchzahngebiss eignen, während sie gleichzeitig dem Risiko einer Fluorose vorbeugen. Dabei wurden vier verschiedene Zahnpasten (herkömmliche Zahnpasta ohne aktive Stoffe, Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid, Zahnpasta mit 1400 ppm Fluorid und Zahnpasta mit Hydroxylapatit-Nanokristall) miteinander verglichen. In vitro, also unter Laborbedinungen kamen gezogene und für die Untersuchungen vorbereitete Milchzähne zum Einsatz, welche 15 Tage lang dreimal täglich für zwei Minuten mit jeweils einer der Zahnpasten geputzt wurden.
In Vivo putzten Kinder im Alter zwischen 7 und 10 Jahren 15 Tage dreimal täglich mit jeweils einer der vier Zahnpasten. Im Anschluss wurden die Milchzähne entnommen (aufgrund notwendiger kieferorthopädischer Behandlungen oder physiologischer Ersetzung).
Unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) zeigten die Zahnoberflächen, welche mit herkömmlicher Zahnpasta ohne aktive Stoffe und Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid, geputzt wurden, keine Unterschiede. Es waren jeweils abgenutzte, unebene Schichten mit Oberflächenrauheit und kraterartigen Zwischenräumen zu sehen. Bei den mit Fluorid 1400 ppm geputzten Zähnen, war eine unregelmäßige Schutzschicht auf der Zahnoberfläche erkennbar, welche teilweise Zahnkrater bedeckt, ansonsten jedoch auch eine Rauheit aufwies. Nach der Behandlung der Zähne mit Hydroxylapatit Zahnpasta, konnte eine homogene Füllung auch von Mikrorissen im Zahnschmelz unter dem REM gesehen werden. Die Zahnoberflächen waren dabei in der Gesamtheit gleichmäßig sehr glatt. Auch der Vergleich zwischen bisherigem Putzen mit einer herkömmlichen fluoridierten Zahnpaste und dann für 15 Tage weg lassen bzw. Ersetzen durch Hydroxylapatit Zahnpasta, führte dazu, dass Kratzer und Rillen vollständig verschwanden und die Zahnoberflächen glatt und einheitlich repariert wurden.
Die antibakterielle Wirkung gegen Streptococcus mutans der Hydroxylapatit Zahnpasta, war mit der der anderen drei Zahnpasten vergleichbar [15].
Fazit: Die Zahnpasta mit Fluorid 1400 ppm, führte zwar zu einer teilweisen Schutzschicht größerer Zahnkrater auf den Zahnoberflächen, konnte jedoch nicht zu einer vollständigen reparierenden und nahtlosen Bedeckung von Zahnschäden beitragen. Auch eine herkömmliche Zahnpasta ohne jegliche aktiven Stoffe, kann nach diesen Ergebnissen, nicht empfohlen werden. Die besten reparierenden und zahnschmelzstärkenden Eigenschaften wies die Hydroxylapatit Zahnpasta auf. Da auch die antibakterielle Wirkung gegen den Hauptkarieserreger vergleichbar mit fluoridhaltigen Zahnpasten war, ist die Hydroxylapatit Zahnpasta für uns das Mittel der Wahl.
Umsetzungstipps
Fluoride sollen kariesfördernde Faktoren wie schlechte Mundhygiene, häufiger Konsum von zucker- und säurehaltigen Lebensmitteln und Getränken sowie unzureichende Zufuhr von kalziumreichen Lebensmitteln sowie Vitamin D ausgleichen.
Eine Ernährung die reich an Vitaminen und Mineralien ist fördert die Knochen- und Zahngesundheit und vermindert das Risiko von Osteoporose, ganz ohne zusätzliche Fluoride. Für Vitamine und Mineralstoffe, welche nicht oder kaum ausreichend, mit einer gesunden Ernährung aufgenommen werden, empfiehlt sich eine entsprechende Supplementation, wie z.B. im Fall von Vitamin D.
Wenn zudem auf zucker- und säurehaltige Lebensmittel und Getränke weitgehend verzichtet wird, wird der Zahnschmelz geschont und Karies vorgebeugt.
Sollen trotz aller Risiken Fluoride zu Beginn eines menschlichen Lebens zum Einsatz kommen, ist unbedingt die Tageszufuhr aller Fluoridquellen (Supplemente, Säuglings(anfangs)-nahrung, Zahnpasten, Zahnlacke, Trinkwasser) im Auge zu behalten bzw. nur eine Quelle auszuwählen und sich dort in geringen Dosierungen aufzuhalten. Auch das Besprechen der verschiedenen Fluoridaufnahmequellen mit kompetenten Kinder- oder Zahnärzten kann eine Mehrfachaufnahme verhindern. Bzgl. der Gefahren von Fluorid scheinen unter dem medizinischen Fachpersonal allerdings große Wissenslücken und Uneinigkeiten vorzuliegen, weshalb wir an die Eigenverantwortung appellieren.
In Wohngebieten mit hohen natürlichen oder künstlich zugesetzten Fluoridmengen im Trinkwasser raten wir dringend auf eine zusätzliche Fluoridaufnahme zu verzichten und ggf. auf fluoridarmes Mineralwasser oder gefiltertes Wasser als Durstlöscher bzw. zur Zubereitung von Säuglingsnahrung umzusteigen. Dies kann vor allem im Urlaub in den entsprechenden Ländern relevant werden.
Für die Zahnpflege kann auf Alternativen wie xylit-, probiotische-, neem- oder hydroxylapatithaltige Zahnpasten zurückgegriffen werden. Insgesamt ist es ratsam eine tägliche Mundhygiene durchzuführen, Zahnseide zu verwenden und regelmäßig die Zahngesundheit beim Zahnarzt überprüfen zu lassen.
Für die Zahngesundheit bei Säuglingen und Kleinkindern, ist darüber hinaus, auch die Zahngesundheit der Mutter entscheidend. Bereits schon während der Schwangerschaft, sollte auf einen guten Zahnzustand und Mundhygiene geachtet werden [16]. Nach der Geburt kann ein Übertragen von Kariesbakterien von der Mutter oder anderen Verwandten, vermieden werden, indem darauf geachtet wird, Schnuller und Löffel die das Baby/Kleinkind in den Mund nimmt, nicht vorab selbst in den Mund zu nehmen.
Sollten im Erwachsenenalter fluoridierte Zahnpasten zur Anwendung kommen, raten wir auch hier die Dosierung im Auge zu behalten und ein Verschlucken der Zahnpasta zu vermeiden. Nötig ist dies aber nicht, wie weiter oben ausführlich beschrieben. Generell reichen für die Knochengesundheit die natürlich vorkommenden Fluoridquellen völlig aus.
Quellenangaben
Studien und Primärquellen:
[1] Malin AJ, Riddell J, McCague H, Till C. Fluoride exposure and thyroid function among adults living in Canada: Effect modification by iodine status. Environ Int. 2018 Dec;121(Pt 1):667-674. doi: 10.1016/j.envint.2018.09.026. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30316182/
[2] Tang, Qq., Du, J., Ma, Hh. et al. Fluoride and Children’s Intelligence: A Meta-analysis. Biol Trace Elem Res 126, 115–120 (2008). https://doi.org/10.1007/s12011-008-8204-x
[3] Anna L. Choi et al., Developmental Fluoride neutrotoxicity: a systematic review and meta-analysis (2012). https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/ehp.1104912#core-r39
[4] Grandjean, P. Developmental fluoride neurotoxicity: an updated review. Environ Health 18, 110 (2019). https://doi.org/10.1186/s12940-019-0551-x
[5] Xingchen Yu et al., Threshold effects of moderately excessive fluoride exposure on children's health: A potential association between dental fluorosis and loss of excellent intelligence, Environment International, Volume 118, 2018, https://doi.org/10.1016/j.envint.2018.05.042.
[6] Qin Gao, Yan-Jie Liu, Zhi-Zhong Guan, Oxidative stress might be a mechanism connected with the decreased α7 nicotinic receptor influenced by high-concentration of fluoride in SH-SY5Y neuroblastoma cells, Toxicology in Vitro, Volume 22, Issue 4, 2008, https://doi.org/10.1016/j.tiv.2007.12.017.
[7] Marta Goschorska, et al., Effect of acetylcholinesterase inhibitors donepezil and rivastigmine on the activity and expression of cyclooxygenases in a model of the inflammatory action of fluoride on macrophages obtained from THP-1 monocytes, Toxicology, Volumes 406–407, 2018, https://doi.org/10.1016/j.tox.2018.05.007.
[8] Green R, Lanphear B, Hornung R, Flora D, Martinez-Mier EA, Neufeld R, Ayotte P, Muckle G, Till C. Association Between Maternal Fluoride Exposure During Pregnancy and IQ Scores in Offspring in Canada. JAMA Pediatr. 2019 Oct 1;173(10):940-948. doi: 10.1001/jamapediatrics.2019.1729. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31424532/
[9] Tanaka M, Margolis HC. Release of mineral ions in dental plaque following acid production. Arch Oral Biol. 1999 Mar;44(3):253-8. doi: 10.1016/s0003-9969(98)00125-3. PMID: 10217516. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10217516/
[10] Claydon N, Addy M: The use of plaque area and plaque index to measure the effect of fluoride and chlorhexidine toothpastes on 24-h plaque regrowth. J Clin Periodontol 1995: 22: 540-542. https://sci-hub.ru/https:/doi.org/10.1111/j.1600-051X.1995.tb00802.x
[11] Moran J, Addy M, Newcombe R. Comparison of an herbal toothpaste with a fluoride toothpaste on plaque and gingivitis. Clin Prev Dent. 1991 May-Jun;13(3):12-5. PMID: 1860291. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1860291/
[12] Gasmi Benahmed, A., Gasmi, A., Arshad, M. et al. Health benefits of xylitol. Appl Microbiol Biotechnol 104, 7225–7237 (2020). https://doi.org/10.1007/s00253-020-10708-7
[13] Selvaraj K, Bharath N, Natarajan R, Dinesh S, Murugesan S, Selvaraj S. Comparative Evaluation of Antimicrobial Efficacy of Toothpastes Containing Probiotic and Neem as Primary Ingredient on Salivary Streptococcus mutans in Melmaruvathur Population: An In Vivo Study. J Pharm Bioallied Sci. 2020 Aug;12(Suppl 1):S595-S600. doi: 10.4103/jpbs.JPBS_209_20. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33149527/
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[16] Xiao J, Alkhers N, Kopycka-Kedzierawski DT, Billings RJ, Wu TT, Castillo DA, Rasubala L, Malmstrom H, Ren Y, Eliav E. Prenatal Oral Health Care and Early Childhood Caries Prevention: A Systematic Review and Meta-Analysis. Caries Res. 2019;53(4):411-421. doi: 10.1159/000495187. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6554051/
Allgemeine Quellen: (nicht mit Nr. im Text versehen; Bsp.: Bücher, andere Portale)
- Swiss dental Journal SSO Zahnfluorose. Abgerufen am 13. Februar 2024, von https://old.swissdentaljournal.org/fileadmin/upload_sso/2_Zahnaerzte/2_SDJ/SDJ_2015/SDJ_6_2015/SDJ_2015-06_thema-des-monats.pdf
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. Referenzwert Fluorid. Abgerufen am 13. Februar 2024, von https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/fluorid/
- EFSA Journal 2013 Scientific Opinion on Dietary Reference Values for fluoride. Abgerufen am 13. Februar 2024, von https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2013.3332
- Bundesinstitut für Risikobewertung Für gesunde Zähne: Fluorid-Vorbeugung bei Säuglingen und Kleinkindern. Abgerufen am 16. Februar 2024, von https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/fuer-gesunde-zaehne-fluorid-vorbeugung-bei-saeuglingen-und-kleinkindern.pdf
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