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Kurzbeschreibung
Das Vitamin B1 ist unter dem Begriff Thiamin bekannt. Es wird häufig auch als Nervenvitamin bezeichnet, da es vielfache Einflüsse auf eine gesunde Hirnfunktion hat. Es ist wasserlöslich und nicht speicherbar. Es muss also regelmäßig zugeführt werden. Thiamin kommt in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor und ist ein wichtiger Baustoff der Coenzyme, wird für den Stoffwechsel der Organe benötigt, wirkt bei vielen Reaktionen im Kohlenhydratstoffwechsel mit und ist an der Bildung des Neurotransmitters (Botenstoff) Acetylcholin beteiligt.
Ca. 30% der Frauen und 20% der Männer erreichen die empfohlene Zufuhrmenge von
1 mg/Tag - 1,3 mg/Tag
nicht. Bei akuten Erkrankungen kann das Vitamin B1 in hohen Dosen oral oder auch intravenös verabreicht werden. Vitamin B1 ist nicht rezeptpflichtig, sollte aber bei hohen Dosen unter Aufsicht einer Fachperson verabreicht werden.Physiologische Wirkungen im Überblick
- Mitochondriale Energiegewinnung aus Kohlenhydraten
- Reguliert die Funktion von Nerven- und Muskelzellen
- Regeneration von Nerven
- Schilddrüsenfunktion
- Neurotransmitterbildung (Serotonin, Adrenalin, Acetylcholin)
Kofaktoren
Ein genügender Magnesiumspiegel unterstützt eine gute Aufnahme von B1.
Vitamin C schützt das Vitamin B1.
Vitamin B9 (Folsäure) fördert die Aufnahme von Vitamin B1.
Vorkommen
- Weizenkeime
- Sonnenblumenkerne
- Muskelfleisch (v.a. Schweinefleisch)
- Fisch
- Erdnüsse
- Pinienkerne
- Vollkorngetreide
- Erbsen
- Hefe
- Pilze
Achtung: Das B1 Vitamin ist nicht hitzestabil, es wird leicht bei Erhitzung zerstört.
Anwendungsempfehlungen und Dosierung
DGE
Referenzwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (Die DGE unterscheidet zwischen Kindern, Männern, Frauen, Schwangeren, Stillenden - bitte im Einzelfall prüfen)
1 mg/Tag - 1,3 mg/Tag
NährstoffAllianz
Dosierungsempfehlung der NährstoffAllianz
5 mg/Tag
Therapeutische & präventive Einsatzgebiete
- Müdigkeit
- Kopfschmerz
- Leistungsabfall
- Muskelschwäche
- Nervenentzündungen
- Ödeme
- Herzerweiterung
- Appetitmangel
- Verdauungsschwierigkeiten
- Atemnot
Risikogruppen und Mangelfaktoren
Risikogruppen:
- Alkoholismus
- Diabetes Mellitus
- neurologische Erkrankungen
- Schwangere und Stillende
- chronische Herzerkrankungen
Mangelfaktoren:
Die B1-Aufnahme wird verschlechtert bei Einnahme von Antibiotika, Alkohol, schwarzer Tee. Diuretika verstärken das Ausscheiden von Vitamin B1 über die Niere.
Ein hoher Konsum von Kohlenhydraten aus Weißmehlprodukten und hoher Zuckerkonsum lässt den B1-Spiegel sinken, da nicht genug Nahrungsmittel mit den nötigen B1-Vitaminen aufgenommen werden.
Wissenschaftliche Studien
Allgemeines
Das im Körper gespeicherte Thiamin ist bei einer mangelhaften Zufuhr von Thiamin innerhalb von 2 Wochen aufgebraucht (1).
Klinische Anzeichen und Symptome eines Thiaminmangels treten nach einem circa 3-monatigen Mangelzustand auf (2).
Ein Thiaminmangel kann sich auf verschiedenste Weise äußern, z.B. in Form von ungeklärten neurologischen Anomalien, geistigen Veränderungen, Herzinsuffizienz oder metabolischer Azidose (3).
Auch sollte ein Mangel des Vitamins bei klinischen Szenarien wie schwerer Sepsis, Verbrennungen, neurologischen Störungen bei Patienten mit Alkoholismus in der Vorgeschichte, chronischer Unterernährung, langfristiger parenteraler Ernährung, Hyperemesis gravidarum (unstillbares Schwangerschaftserbrechen) oder bariatrischer Operation (operative Behandlung von Übergewicht) berücksichtigt werden (4).
Die sehr unterschiedliche klinische Manifestation erschwert – vor allem in Kombination mit dem Fehlen eines leicht zugänglichen und allgemein vereinbarten Biomarkers für den Vitamin B1-Status – die Diagnostik des Thiaminmangels sowie eine Bewertung des weltweiten Vorkommens (5).
Thiamin & Diabetes
Verschiedene Studien zeigen, dass eine Diabetes-Erkankung mit einem Thiaminmangel einhergeht.
Laut einer Studie von Page, Laight und Cummings (2011) kann eine Supplementierung von Vitamin B12 bei Diabetikern die Bildung schädlicher Nebenprodukte des Glukosestoffwechsels verhindern, oxidativen Stress reduzieren und die Endothelfunktion verbessern. Der Nutzen einer Supplementierung auf lange Sicht ist laut den Wissenschaftlern noch unklar, jedoch vermuten sie eine langfristige Verringerung des Risikos von kardiovaskulären sowie angiopathischen Komplikationen (Gefäßerkrankungen als Folge des Diabetes) (6).
Eine Studie der Wissenschaftler Shahmiri, Soares, Zhao und Sherriff (2013) mit 12 Probanden mit bestehender Hyperglykämie ergab, dass die Supplementierung mit hochdosiertem Thiamin (3 x 100 mg/Tag für 6 Wochen) die Glucosetoleranz im Vergleich zu Placebo signifikant verbesserte. Die Thiamingabe bei Patienten mit Prädiabetes könnte daher laut Schlussfolgerung des wissenschaftlichen Teams ein Fortschreiten in Richtung Diabetes verhindern oder verlangsamen (7).
Thiamin & Herzerkrankungen
Ein Vitamin B1-Mangel wird zunehmend mit verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen in Verbindung gebracht und könnte eine Rolle bei der Entwicklung und Prognose von Herzerkrankungen spielen. Die Verabreichung von Thiamin führte in verschiedenen Studien zu einer Verbesserung der Herzfunktionen und der hämodynamischen Merkmale (Merkmale des Blutflusses) (8).
Eine durch Thiaminmangel ausgelöste Herzinsuffizienz kann sich durch unspezifische Symptome äußern, was häufig zu einer verzögerten Diagnose und Behandlung führt. Daher sollte ein Thiaminmangel bei neu auftretender Herzinsuffizienz unbekannter Ursache in Betracht gezogen werden (9).
Desweiteren gibt es Hinweise darauf, dass eine diuretische Behandlung bei Herzinsuffizienz zu einer erhöhten Thiaminausscheidung im Urin und zu einem langfristigen Thiaminmangel führen kann, was die Herzfunktion weiter beeinträchtigen kann.
In einer Studie aus dem Jahr 2012 wurden 9 Patienten mit symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz, die Diuretika einnahmen, mit 300mg Vitamin B1 täglich versorgt. Im Vergleich zur Einnahme eines Placebos konnte bei den Probanden nach 28-tägiger Thiamin-Einnahme eine signifikante Verbesserung der Herzfunktion (Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion, LVEF) festgestellt werden (10).
Folgen eines gravierenden Vitamin B1-Mangels:
Beriberi und Wernicke-Korsakow-Syndrom
Ein Mangel an Vitamin B1 kann das Herz-Kreislauf-, Nerven- und Immunsystem beeinträchtigen. Ein länger bestehender schwerwiegender Mangel kann zu schweren und häufig tödlich verlaufenden Erkrankungen wie trockener Beriberi (Nerven- und Muskelanomalien), feuchter Beriberi (Herzanomalien) oder dem Wernicke-Korsakow-Syndrom (schwere neurologische Erkrankung mit Verwirrtheitszustand bzw. Amnesie) führen (11).
Beriberi ist eine Erscheinung in Bevölkerungen mit Hungersnöten. So war die Erkrankung beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts in Asien aufgrund einer stark einseitigen Ernährung mit poliertem Reis weit verbreitet.
Beim Wernicke-Korsakow-Syndrom, das hingegen in erster Linie in wohlhabenderen Ländern vorkommt, ist chronischer Alkoholismus (Alkohol beeinflusst die Thiaminaufnahme und andere Aspekte der Thiaminverwertung) in Kombination mit Mangelernährung die Ursache für den Vitamin B1-Mangel (12).
Eine frühzeitige Behandlung mit Thiamin beim Wernicke-Korsakow-Syndrom führt in der Regel zu gravierender klinischer Verbesserung des Krankheitsbildes. Jedoch bleibt das Syndrom häufig undiagnostiziert (13).
Quellenangaben
Studien und Primärquellen:
[1] Wooley JA. Characteristics of thiamin and its relevance to the management of heart failure. Nutr Clin Pract. 2008; 23: 487. https://doi.org/10.1177/0884533608323430
[2] Leslie D, Gheorghiade M. Is there a role for thiamine supplementation in the management of heart failure? Am Heart J. 1996; 131: 1248– 1250. https://doi.org/10.1016/S0002-8703(96)90121-0
[3] Sriram K, Manzanares W, Joseph K. Thiamine in nutrition therapy. Nutr Clin Pract2012; 27: 41– 50. https://doi.org/10.1177/0884533611426149
[4] Manzanares, Williama; Hardy, Gilb Thiamine supplementation in the critically ill, Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolic Care: November 2011 - Volume 14 - Issue 6 - p 610-617 doi: 10.1097/MCO.0b013e32834b8911. https://journals.lww.com/co-clinicalnutrition/Abstract/2011/11000/Thiamine_supplementation_in_the_critically_ill.15.aspx
[5] Whitfield, K. C., Bourassa, M. W., Adamolekun, B., Bergeron, G., Bettendorff, L., Brown, K. H., Cox, L., Fattal-Valevski, A., Fischer, P. R., Frank, E. L., Hiffler, L., Hlaing, L. M., Jefferds, M. E., Kapner, H., Kounnavong, S., Mousavi, M., Roth, D. E., Tsaloglou, M. N., Wieringa, F., & Combs, G. F., Jr (2018). Thiamine deficiency disorders: diagnosis, prevalence, and a roadmap for global control programs. Annals of the New York Academy of Sciences, 1430(1), 3–43. https://doi.org/10.1111/nyas.13919
[6] Page, G.L.J., Laight, D. and Cummings, M.H. (2011), Thiamine deficiency in diabetes mellitus and the impact of thiamine replacement on glucose metabolism and vascular disease. International Journal of Clinical Practice, 65: 684-690. https://doi.org/10.1111/j.1742-1241.2011.02680.x
[7] Alaei Shahmiri, F., Soares, M.J., Zhao, Y. et al.High-dose thiamine supplementation improves glucose tolerance in hyperglycemic individuals: a randomized, double-blind cross-over trial. Eur J Nutr 52, 1821–1824 (2013). https://doi.org/10.1007/s00394-013-0534-6
[8] Eshak, E.S.; Arafa, A.E. Thiamine deficiency and cardiovascular disorders. Metab. Cardiovasc. Dis.2018, 28, 965–972. [PDF]
[9] DiNicolantonio JJ, Liu J, O'Keefe JH. Thiamine and Cardiovascular Disease: A Literature Review. Prog Cardiovasc Dis. 2018 May - Jun;61(1):27-32. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S003306201830029X
[10] Schoenenberger, A.W., Schoenenberger-Berzins, R., der Maur, C.A. et al.Thiamine supplementation in symptomatic chronic heart failure: a randomized, double-blind, placebo-controlled, cross-over pilot study. Clin Res Cardiol 101, 159–164 (2012). https://doi.org/10.1007/s00392-011-0376-2
[11] Wiley KD, Gupta M. Vitamin B1 Thiamine Deficiency. [Updated 2020 Jun 22]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020 Jan-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK537204/
[12] Singleton CK, Martin PR. Molecular mechanisms of thiamine utilization. Curr Mol Med. 2001;1:197–207. https://www.researchgate.net/publication/11464947_Molecular_Mechanisms_of_Thiamine_Utilization
[13] Harper, C. (2006), Thiamine (vitamin B1) deficiency and associated brain damage is still common throughout the world and prevention is simple and safe!. European Journal of Neurology, 13: 1078-1082. https://doi.org/10.1111/j.1468-1331.2006.01530.x
Allgemeine Quellen: (nicht mit Nr. im Text versehen; Bsp.: Bücher, andere Portale)
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Abgerufen am 2. Februar 2021, von https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/
- Schmiedel, V., Spitz, J., Edalatpour, A., Schulz-Ruhtenberg, N., Gröber, U., Feldhaus, S., Schomburg, L., Schurgast, H. & Barz, S. (2020, Februar). Online-Kongress „Mikronährstoffe und Orthomolekularmedizin“ [Online-Kongress]. Akademie für menschliche Medizin.
- Deutschlands Kranke Kinder. Basiswissen Nährstoffe. Abgerufen am 2. Februar 2021, von https://deutschlandskrankekinder.de/basiswissen-naehrstoffe/
- FDDB Lebensmittel Datenbank. Abgerufen am 2. Februar 2021, von https://fddb.info/
- Gröber, U. (2002). Orthomolekulare Medizin (3. Aufl.). Beltz Verlag.
- Schmiedel, V. (2019). Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente: Ernährung, Diagnostik und Nährstofftherapie (3. Aufl.). Georg Thieme Verlag.
- LifeStyle & MS. B-Vitamine. Abgerufen am 2. Februar 2021, von https://lsms.info/index.php?id=24&L=602
- Biesalski, HK (2019). Vitamine, Spurenelemente und Minerale: Indikation, Diagnostik, Therapie (2. Aufl.). Georg Thieme Verlag.
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