Die Anti-Entzündungsformel: Entzündungsfaktor FETT!?
Unsere Ernährung ist ein mächtiges Werkzeug, das entweder Entzündungen im Körper anheizen oder sie beruhigen kann. Der übermäßige Konsum von Zucker, bestimmten Fetten und stark verarbeiteten Lebensmitteln begünstigt entzündliche Prozesse und schadet langfristig der Gesundheit. Besonders wichtig ist der Blick auf arachidonsäurehaltige Lebensmittel, da diese eine zentrale Rolle im Entzündungsgeschehen spielen. Um eine entzündungsfördernde Ernährung zu vermeiden und aktiv zu einer entzündungshemmenden Ernährung beizutragen, hilft es, die Vorgänge zu verstehen, die durch verschiedene Nahrungsbestandteile im Körper ausgelöst werden. In diesem Beitrag beleuchten wir, wie unterschiedliche Fettsäuren das Entzündungsgeschehen beeinflussen.
Arachidonsäure und ihre Wirkung
Arachidonsäure ist eine mehrfach ungesättigte Omega-6 Fettsäure, die in hohen Mengen in tierischen Lebensmitteln wie rotem Fleisch, Eigelb und bestimmten Fischarten (noch stärker in Zuchtfischen) vorkommt. Im Körper wird Arachidonsäure in entzündungsfördernde Moleküle umgewandelt, die eine Schlüsselrolle bei Entzündungsreaktionen spielen. Entzündungsreaktionen die z.B. für die Wundheilung und Blutgerinnung wichtig sind, helfen dem Körper sich zu regenerieren. Arachidonsäure ist auch für eine normale Zellfunktion notwendig und hat ihre Daseinsberechtigung. Ein Übermaß jedoch, ist auf Dauer schädlich.
Die durch Nahrungsmittel tierischer Herkunft direkt aufgenommen Arachidonsäure, gelangt zu 90 % unverändert in die Körperzellen und kann dort direkt ohne weitere Umwandlungsschritte entzündungsfördernde Eicosanoide bilden. Pflanzliche Omega-6-Fettsäuren (Linolsäuren) müssen erst über mehrere Schritte zu Arachidonsäure umgewandelt werden, bevor diese zur Wirkung kommen kann. Die Umwandlung vom Körper erfolgt jedoch nach Bedarf, sprich bei Arachidonsäuremangel, was bei einer westlichen Ernährungsweise kaum vorkommt. Dieser Unterschied innerhalb der Omega-6-Fettsäuren ist entscheidend und erklärt, warum die direkte Zufuhr der Arachidonsäure so viel mehr Einfluss auf proentzündliche Prozesse nimmt als andere Omega-6-Fettsäuren.
Die folgende Tabelle zeigt, welche Lebensmittel besonders viel Arachidonsäure enthalten:
Proentzündliche Biochemische Prozesse:
- Arachidonsäure konkurriert im Körper mit den Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) um die gleichen Enzyme (Cyclooxygenasen (COX) und Lipoxygenasen (LOX)). Arachidonsäure veranlasst diese Enzyme zur Bildung entzündungsfördernder Eicosanoide,. EPA und DHA fördert demgegenüber die Bildung zu Eicosanoiden vom antientzündlichen Typ.
- Übersteigt die Menge an Arachidonsäure das gesunde Maß, sind die Enzyme mit ihr quasi „belegt“ und Omega-3-Fettsäuren kommen als „Gegenspieler“ bzw. Ausgleich nicht mehr in ihrer Wirkung zur Entfaltung. Die Waage im Körper kippt, hin zu einem entzündungsförderlichen Umfeld.
- Entzündungsfördernde Eicosanoide lösen bzw. verstärken Entzündungsreaktionen und tragen, dauerhaft und in hohen Mengen ausgeschüttet zu chronischen Entzündungen bei.
Die Ergebnisse einer in vitro Untersuchung unterstreichen, dass Arachidonsäure eine stärkere proentzündliche Wirkung hat als andere Omega-6-Fettsäuren wie Linolsäure. Dabei wurden entzündlich gereizte Fettzellen (3T3-L1-Adipozyten) für 24 Stunden mit 100 µmol/l verschiedener Omega-3- oder Omega-6-Fettsäuren behandelt. Darunter auch Linolsäure und Arachidonsäure. Arachidonsäure erhöhte dabei die Ausbildung proentzündlicher Moleküle, wohingegen α-Linolensäure und Linolsäure die Ausbildung von Molekülen unrelevant beeinflusste. DHA und EPA verringerte die Ausbildung proinflammatorischer Moleküle [1].
Der Arachidonsäuregehalt bzw. die Fettsäurenzusammensetzung in tierischen Lebensmitteln hängt auch von der Lebensqualität der Tiere ab bzw. ist umso ungünstiger, je artfremder das Tierleben ablief. Auch Fische, die als Quelle der antientzündlichen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA gelten, enthalten je nach Lebensbedingungen bzw. Fütterung ebenfalls mehr oder weniger der Arachidonsäure.
Tiere, die mit einer natürlichen, grasbasierten Diät gefüttert werden und Wildtiere, haben in der Regel ein günstigeres Fettsäureprofil, einschließlich eines niedrigeren Anteils an Arachidonsäure, verglichen mit Tieren, die mit Getreide, Mais und anderen kraftfutterreichen Diäten gefüttert werden. Getreide selbst ist reich an Linolsäure (Vorstufe der Arachidonsäure). Dies bedeutet, dass Tiere, die viel Getreide fressen, in der Regel höhere Gehalte an Omega-6-Fettsäuren, einschließlich Arachidonsäure, in ihrem Fleisch und ihren Eiern haben.
Eine 2022 veröffentlichte Untersuchung kam hinsichtlich der Fettsäurenzusammensetzung des Fleisches von mit Getreide oder Gras gefütterten Rindern zum Ergebnis, dass grasgefütterte Rinder höher Werte an den Omega-3-Fettsäuren EPA, DPA und DHA aufwiesen, als mit Getreide gefütterte. Das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren war somit in grasgefütterten Rindern niedriger als in Getreide gefütterten [2].
Auch Stress und schlechte Lebensbedingungen können den Stoffwechsel von Tieren beeinflussen und möglicherweise zu einer Erhöhung entzündungsfördernder Substanzen in deren Körper führen. Dies könnte indirekt auch den Gehalt an Arachidonsäure im Fleisch beeinflussen, da gestresste Tiere tendenziell mehr Entzündungsmediatoren produzieren.
Eine Studie an Hühnern untersuchte, wie chronischer Stress die Qualität des Fleisches und die damit verbundenen Entzündungsmarker beeinflusst. Chronischer Stress verstärkte die Entzündungsreaktionen und erhöht möglicherweise den Gehalt an Arachidonsäure im Fleisch. Dazu wurden Einhundert 100-Tage alte männliche Küken nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen geteilt. Die eine Gruppe erhielt vier Wochen lang eine corticosteroidhaltige Diät und die andere Gruppe eine übliche Fütterung ohne Corticosteroide. Corticosteroide sind Hormone, die eine zentrale Rolle in der Stressantwort des Körpers spielen. In Studien eingesetzt, sollen sie die Effekte von Stress nachahmen um die Auswirkungen auf den Körper sowie das Verhalten zu Untersuchen.
Ergebnis: In der Gruppe der corticosteronhaltigen Diät, kam es zu oxidativen Schäden des Fleisches, zu Entzündungen im Dünndarm und zu nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen sowie zu schlechten Fleischqualitätsmerkmalen [3].
Die Wirkung pflanzlicher Omega-6-Fettsäuren
Linolsäure ist die am häufigsten in der der menschlichen Ernährung in Speiseölen und daraus hergestellten Produkten, vorkommende Omega-6-Fettsäure. Diese wird im Körper zu Gamma-Linolensäure (GLA) und weiter zu Dihomo-Gamma-Linolensäure (DGLA) umgewandelt, bevor sie zu Arachidonsäure verstoffwechselt wird. Diese Zwischenprodukte können sowohl entzündungsfördernde als auch entzündungshemmende Eicosanoide produzieren.
Die entzündungsfördernde Wirkung pflanzlicher Omega-6-Fettsäuren hängt weitgehend davon ab, wie viel davon in Arachidonsäure umgewandelt wird und wie das Mengenverhältnis von Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren im Körper aussieht. Viel Linolsäure in der Nahrung behindert die Umwandlung der α-Linolensäure (pflanzliche Omega-3-Fettsäure) zu EPA, sowie auch umgekehrt die α-Linolensäure die Umwandlung von Linolsäure zu Arachidonsäure hemmt.
Omega-3-Fettsäuren
Sie nehmen die größte Rolle in der antientzündlichen Ernährung ein!
Vor allem EPA und DHA, die in fettem Fisch vorkommen helfen direkt Entzündungen zu reduzieren. Sind sie in ausreichender Menge im Körper vorhanden, können sie gleichzeitig anwesende Arachidonsäure verdrängen und die Enzyme für sich einnehmen. Dies hemmt einerseits die Bildung entzündungsfördernder Eicosanoide und führt zur Bildung entzündungshemmender Eicosanoide.
Die tierischen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA besitzen, wie die tierische Arachidonsäure, die biochemischen Eigenschaften, direkt und ohne Umwandlungsschritte, mit Hilfe der entsprechenden Enzyme, die entzündungshemmenden Eicosanoide bilden zu können.
Wichtig beim Konsum von Fischprodukten mit hohem Omega-3-Anteil, ist die Beachtung des Schwermetallgehalts. In dieser Hinsicht sind Fische wie Heringe, Sardinen und Makrele besser, da sie früher in der Nahrungskette stehen als zum Beispiel Lachs oder Thunfisch.
Eine globale Bewertung des Schwermetallgehalts in Oberflächengewässern 2019, zeigte, dass die Oberflächengewässer weltweit mit Schwermetallen stark verschmutzt sind. Die Durchschnittswerte der Schwermetalle Chrom, Mangan, Cobalt, Nickel, Arsen und Cadmium überschritten die Richtlinien der USEPA (Umweltschutzbehörde der vereinigten Staaten von Amerika) und WHO (Weltgesundheitsorganisation) [4]. Diese Schwermetalle gelangen durch die Nahrungskette früher oder später in die in den Oberflächengewässern lebenden Fische.
Die beste Wahl der Omega-3-Fettsäurenquelle, sind natürliche Fisch- oder Algenöle. Auch hier sollte die Qualität hinsichtlich „Ranzigkeitsgrad“ und Schwermetallgehalt zwingend im Vordergrund stehen. Zugesetztes Vitamin E z.B., stellt durch seine antioxidative Wirkung ein natürliches „Antiranz“ dar. Regelmäßige zur Verfügung gestellte Schwermetallanalysen des Herstellers sollten einsehbar und beanstandungslos lein.
Pflanzliche Omega-3-Quellen wie z.B. Leinsamen und Walnüsse müssen erst, wie pflanzliche Omega-6-Quellen, im Körper über mehrere Schritte umgewandelt werden, bis sie als EPA und DHA vorliegen und entsprechend wirken können. Die Umwandlungsrate pflanzlicher Omega-3-Quellen zu EPA beträgt allerdings nur ca. 5-10 % und zu DHA nur noch ca. 0-1 %. So dass diese keine relevanten Quellen für EPA und DHA darstellen. Dennoch spielen auch sie eine Rolle in der antientzündlichen Ernährung. Sie fungieren als „Gegenspieler“ zu pflanzlichen Omega-6-Quellen, wie Sonnenblumen-, Distel- und Maisöl und hemmen in ausreichender Menge deren Umwandlung zu proentzündlichen Zwischenstufen und Arachidonsäure. Pflanzliche Omega-3-Fettsäuren konkurrieren hier ebenfalls mit den pflanzlichen Omega-6-Fettsäuren um dieselben „Umwandlungsenzyme“.
Entscheidend: Das Verhältnis von Omega-3 zu Omega-6
Ob sich der Körper eher in einer Entzündungslage oder in Balance befindet, hängt entscheidend von einem ausgewogenen Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren ab!
Im Hinblick auf die Ernährung bedeutet dies, die entsprechenden Omega-3- bzw. Omega-6-fettsäurehaltigen Lebensmittel bzw. Quellen optimal zu kombinieren.
Leider bringt die typische westliche Ernährung ein Ungleichgewicht mit einem sehr hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren (Fleischüberdosierung, schlechte Fleischqualität, Sonnenblumenöl etc.) und einem niedrigen Anteil an Omega-3-Fettsäuren mit sich, was zu einer erhöhten Entzündungsneigung führen kann.
Ein günstiges Verhältnis liegt bei etwa 1:1 bis 1:5 (Omega-3 zu Omega-6).
Dazu kommt, dass die jeweilige Quelle der Omega-3- bzw. Omega-6-Fettsäuren zwingend betrachtet werden muss! Es reicht nicht aus, einen vermeintlich ausreichend hohen Anteil pflanzlicher Omega-3-Fettsäuren und einen eigentlich optimalen Gehalt an der tierischen Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure zu haben! Wie oben beschrieben können die pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren als „Gegenspieler“ der tierischen Arachidonsäure nichts ausrichten bzw. zu keiner ausgleichenden Wirkung führen.
Das folgende Schaubild verdeutlicht die jeweiligen Quellen und „Gegenspieler“:
Fazit:
Als ersten Schritt hin zu einer antientzündlichen Ernährung, ist es empfehlenswert, eine Fettsäurenanalyse bzw. sich ein Fettsäurenprofil erstellen zu lassen. So kann das tatsächlich vorliegende Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren ermittelt und im Detail geschaut werden, welche biochemische Form jeweils die Oberhand hat. Parallel hilft ein Ernährungs- und Nahrungsergänzungsmitteltagebuch über mindestens zwei Wochen, die Erklärung für die Ergebnisse der Blutanalyse zu finden. So können evtl. ungünstige Fettsäurequellen und -mengen analysiert und entsprechend durch günstige ersetzt werden. Basierend auf den Ergebnissen und auch im Hinblick auf den Schwermetallgehalt natürlicher tierischer Omega-3-Quellen, macht es Sinn, einen dauerhaften Konsum von entsprechend dosiertem, hochqualitativem Fisch- oder Algenöl in die Ernährung zu integrieren. Für eine regulative bzw. therapeutische Wirkung ist eine Dosierung von über 2 g Omega-3 pro Tag erforderlich.
Im nächsten Newsletter zeigen wir Ihnen welche Rolle Zucker und verarbeitete Lebensmitteln im Entzündungsgeschehen einnehmen.
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Foto von Nicolas Postiglioni von Pexels:
Quellen:
[1] Mary M Cranmer-Byng et al., Proinflammatory effects of arachidonic acid in a lipopolysaccharide-induced inflammatory microenvironment in 3T3-L1 adipocytes in vitro. Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism. 2014 October 16. https://doi.org/10.1139/apnm-2014-0022
[2] Nogoy KMC, Sun B, Shin S, Lee Y, Zi Li X, Choi SH, Park S. Fatty Acid Composition of Grain- and Grass-Fed Beef and Their Nutritional Value and Health Implication. Food Sci Anim Resour. 2022 Jan;42(1):18-33. doi: 10.5851/kosfa.2021.e73. Epub 2022 Jan 1. PMID: 35028571; PMCID: PMC8728510. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8728510/
[3] Kazeem Ajasa Badmus, I. Zulkifli, Goh Yong Meng, Mamat Hamidi Kamalludin, Telomere Length, Apoptotic, and Inflammatory Genes: Novel Biomarkers of Gastrointestinal Tract Pathology and Meat Quality Traits in Chickens under Chronic Stress (Gallus gallus domesticus). Animals 2021, 11, 3276. https://doi.org/10.3390/ani11113276
[4] Kumar V, Parihar RD, Sharma A, Bakshi P, Singh Sidhu GP, Bali AS, Karaouzas I, Bhardwaj R, Thukral AK, Gyasi-Agyei Y, Rodrigo-Comino J. Global evaluation of heavy metal content in surface water bodies: A meta-analysis using heavy metal pollution indices and multivariate statistical analyses. Chemosphere. 2019 Dec;236:124364. doi: 10.1016/j.chemosphere.2019.124364. Epub 2019 Jul 15. PMID: 31326755. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31326755/
Bisher erschienen in dieser Reihe: