Paleo Ernährung – eine weitere Stellschraube bei Zivilisationserkrankungen?

4,9 Minuten LesezeitVeröffentlicht am: 6. Januar 2022Von Kategorien: Unkategorisiert

Die Paleo Ernährungsweise steht für eine Nahrungsmittelzusammensetzung, von der vermutet wird, dass sie zu Zeiten des Paläolithikums, der Altsteinzeit (vor ca. 2,5 Millionen bis 10.000 Jahre zurück liegend) vorgelegen hat. Sie wird auch als Steinzeiternährung bezeichnet und ahmt die Ernährung der damaligen Jäger und Sammler mit unseren heutzutage verfügbaren Nahrungsmitteln nach. Eine der Grundannahmen ist, dass sich seit der Steinzeit das menschliche Erbgut nicht verändert hat und seit der Einführung von Ackerbau und Viehzucht, vor ca. 10.000 Jahren, Rückschritte in der menschlichen Gesundheit zu verzeichnen sind. So ist u.a. auch davon auszugehen, dass unsere heutigen Zivilisationserkrankungen, wie das metabolische Syndrom gekennzeichnet durch Bluthochdruck, Fettstoffwechsel- und Zuckerstoffwechselstörungen, überwiegend auf die “nicht artgerechte” Ernährung mit nachsteinzeitlichen Lebensmitteln der westlichen Industriestaaten zurück zu führen ist.   

Die Nahrungsmittelzusammensetzung der Paleo Ernährung besteht aus: 

  • Gemüse, Pilzen, Obst (Beeren), Nüssen und Samen  
  • Fleisch (vom Wild), Fisch, Geflügel, Meeresfrüchten, Schalentieren, Eiern
  • Kräutern, Honig und Ahornsirup 
  • Ghee (geklärte Butter), Kokosöl, Olivenöl, Avocadoöl, Macadamia-, Walnuss- und Sesamöl 

Auf Lebensmittel, wie Zucker, Zuckerersatzstoffe und Süßstoffe, Agavendicksaft, Süßigkeiten, Alkohol, Kaffee und Softdrinks, Getreide und Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Milch und Milchprodukte, raffinierte Pflanzenöle und –fette, Zusatzstoffe sowie industriell verarbeitete Lebensmittel wie Wurst- und Fleischwaren, wird verzichtet. Selten und in kleinen Portionen sind Kartoffeln und Reis enthalten sowie bei einigen Paleo-Versionen Vollkorngetreide in Maßen. 

Da in dieser Ernährungsform hochglykämische Lebensmittel, wie getrocknete Datteln und Feigen sowie Früchte und Honig enthalten sind, zählt sie klassischerweise nicht zu den kohlenhydratreduzierten Low Carb Ernährungsformen. Wird aber der Anteil dieser Lebensmittel stark reduziert entspricht auch die Paleo-Ernährung dem Low-Carb-Prinzip. 

Die Paleo Ernährung steht in einigen Studien im Zusammenhang mit einem positiven Einfluss auf das Körpergewicht, den Fettstoffwechsel, den Insulinstoffwechsels und der Gesamtsterblichkeit. Das Wohlbefinden soll allgemein verbessert und Krankheiten vorgebeugt werden. Auch zur Therapie von Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankungen kommt sie zum Einsatz [1].  

Positiver Einfluss auf Fettstoffwechselparameter: 

In einer Studie von Pastore et al. (2015), erhielten 20 Personen im Alter von 40-60 Jahren mit Hypercholesterinämie, statt cholesterinsenkender Medikamente für vier Monate eine nach den Empfehlungen der American Heart Association herzgesunde Diät und für weitere vier Monat eine Paleo Ernährung. Dabei führte die Paleo Ernährung zu signifikant niedrigerem Gesamtcholesterin, LDL- und Trigylzeridkonzentrationen. Des Weiteren stieg die HDL Konzentration im Vergleich zur traditionellen “herzgesunden” Diät sowie zur Ausgangsituation sogar unabhängig von Körpergewichtsveränderungen an [2].   

Positiver Einfluss auf den Insulinstoffwechsel und Diabetes mellitus Typ 2: 

In einer Humanstudie erhielten 32 Probanden für 12 Wochen eine Paleo Ernährung.Zusätzlich wurde ein Teil der Teilnehmenden angewiesen ein Standardübungsprogramm oder ein vorgegebenes überwachtes aerobes Training abzuhalten. In beiden Gruppen sank die Fettmasse um 5,7 kg bzw. Um 6,7 kg, der HbA1c sank um 0,9% bzw. um 1,1% und die Konzentration an Leptin verbesserte sich ebenfalls signifikant. Die Insulinsensitivität (HOMA-IR) verbesserte sich in beiden Gruppen gleich stark um 42% [3].  

Die Schlussfolgerung der Autoren liest sich wie folgt: 
Eine paläolithische Ernährung verbessert die Fettmasse und das metabolische Gleichgewicht, einschließlich der Insulinsensitivität, der glykämischen Kontrolle und des Leptins bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.  

Positiver Einfluss auf das Körpergewicht: 

Eine über zwei Jahre dauernde Studie untersuchte den Einfluss einer Paleo Ernährung auf das Körpergewicht. Dabei erhielten 70 übergewichtige postmenopausale Frauen (BMI 27,0 kg/m²) im Alter von ca. 60 Jahren entweder eine Paleo-Diät (30% Protein – 40% Fett – 30% Kohlenhydrate) oder eine Diät gemäß der NNR (Nordic Nutrition Recommendation; 15% Protein – 25-30% Fett – 55-60% Kohlenhydrate). In beiden Gruppen nahm die Fettmasse nach 6 Monaten um 6,5 kg bzw. 2,6 kg und nach 24 Monaten um 4,6 kg bzw. 2,9 kg signifikant ab.  Auch der Bauchumfang verringerte sich nach 6 Monaten um 11,1 cm bzw. 5,8 cm sowie nach 24 Monaten um 3,7 cm bzw. 2,0 cm. Während des gesamten Studienzeitraums konnte eine signifikante Körpergewichtsreduktion verzeichnet werden, welche nach 12 Monaten ihren Höhepunkt bei 8,7 kg bzw. 4,4 kg hatte. Zudem sank die Triglyceridkonzentration nach 6 Monaten um 0,38 mmol/l bzw. 0,12 mmol/l und nach 24 Monaten um 0,23 mmol/l bzw. 0,01 mmol/l. Die Abnahme der Parameter war jeweils in der Paleo Gruppe nach 6 und 24 Monaten deutlich höher als in der NNR-Gruppe [4]. 

Fazit: 

Die Paleo Ernährung kann eine weitere Stellschraube zur Verbeugung und Therapiebegleitung bei Zivilisationserkrankungen sein. Sie scheint für das Management einer Hyperlipidämie geeignet zu sein sowie generell Insulin- und Fettstoffwechselparameter zu verbessern. Auch auf das Körpergewicht hat sie einen starken positiven Einfluss womit automatisch Symptome des metabolischen Syndroms generell verbessert werden. Zusätzliches sportliches Training hilft, die fettfreie Körpermasse zu erhalten und die kardiovaskuläre Fitness zu steigern. Aufgrund der geringen Probandenanzahl der Studien sowie generell bisher wenig Forschung in der Wirkung der Steinzeiternährung auf die Gesundheit sind weitere längerfristig durchgeführte Studien mit eine höheren Probandenzahl wünschenswert. Da die Paleo Ernährung ähnlich den Low Carb Ernährungsformen eine einschneidende Ernährungsumstellung weg von traditionellen Ernährungsgewohnheiten bedeutet, kann die langfristige Akzeptanz erschwert sein. Zudem ist umstritten, was die typische Steinzeiternährung tatsächlich beinhaltete, da das Nahrungsmittelangebot von Region zu Region bereits damals unterschiedlich war. Weiterhin positiv ist, dass auf ungünstige Fette, Fastfood, hochverarbeitete Lebensmittel, Zucker und Softdrinks verzichtet wird und der Schwerpunkt auf naturbelassenen Lebensmitteln liegt. 

Das Team der NährstoffAllianz wünscht Ihnen ein gesundes und gelingendes neues Jahr 2022!

[1] Ströhle et al. (2016) Alternative Ernährungsformen Teil 2: Die Paleo-Ernährung – Naturgeschichte trifft moderne Stoffwechselforschung. Aktuel Ernahrungsmed 41 (2016) 120-138 

[2] Pastore et al. (2015) Paleolithic nutrition improves plasma lipid concentrations of hypercholesterolemic adults to a greater extent than traditional heart-healthy dietary recommendations. Nutr Res. 2015 Jun;35(6):474-9.  

[3] Otten et al. (2017) Benefits of a Paleolithic diet with and without supervised
exercise on fat mass, insulin sensitivity, and glycemic control: a randomized controlled trial in individuals with type 2 diabetes. Diabetes Metab Res Rev. 33 (2017)  

[4] Mellberg et al. (2014) Long-term effects of a Palaeolithic-type diet in obese postmenopausal women: A 2-year randomized trial. Eur. J. Clin. Nutr. 68 (2014) 350-357 

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